Tim Bausch : Wie ein Brennglas … (Editorial)
Es gibt Sätze, die wiegen trotz aller inhaltlichen Leere besonders schwer. So urteilte im April 2020 Bundespräsident Frank Walter Steinmeier: „Die Welt danach wird eine andere sein.″ Er bezog sich dabei auf jene von SARS-CoV-2 ausgelöste Infektionswelle, die schon sehr bald eine weltweite Dimension annehmen sollte.
Jürgen Nieth : Sicherheitsrisiko KSK (Presseschau)
„Ein Sturmgewehr AK-47, Tausende Patronen, kiloweise Plastiksprengstoff mit Zünder, ein SS-Liederbuch, Zeitschriften für ehemalige Angehörige der Waffen-SS, mehrere Thor-Steinar-Shirts. Was bei einem KSK-Soldaten Mitte Mai gefunden wurde, beschrieb Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als ‚neue Dimension′.″ (Sebastian Erb in taz, 4.7.20, S. 10)
Tarek Shukrallah : Wir können auch hier nicht atmen (Gastkommentar)
Die in den vergangenen Wochen im Globalen Norden wie ein Lauffeuer um sich greifenden Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt brachten auch in Deutschland die Frage auf das Tapet der weißen Allgemeinbevölkerung, ob diese Gesellschaft, ob der Staat und seine Mitarbeiter*innen ein Rassismusproblem haben. Von Minneapolis nach Mittelhessen diskutiert mit einem Mal die Mittelklasse strukturellen Rassismus. Für Schwarze Menschen und People of Color ist die Debatte ein zweischneidiges Schwert. Endlich, sagen einige. Andere mahnen zu Misstrauen. Denn: Während Horst Seehofer eine Studie zu rassistischen Polizeikontrollen, dem »racial profiling«, ablehnt, möchte er nun Gewalt gegen Polizist*innen erforschen lassen. Nach Ausschreitungen in Stuttgart betreibt die ermittelnde Behörde Stammbaumforschung – bei den migrantisierten Tatverdächtigen, versteht sich. Man könnte sagen: Auch das ist ein Debattenergebnis. Und es deutet darauf hin, warum trotz der besonderen Herausforderungen in Zeiten der Pandemie auch in Deutschland in unzähligen Groß- und Kleinstädten Zehntausende betroffene Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße gegangen sind.
Der kranke PlanetJürgen Scheffran : Welt im Aufruhr - Krankheitssymptome der Globalisierung
Die beschleunigte Globalisierung schafft Reichtum für eine wachsende Erdbevölkerung, stößt aber an planetare Grenzen, die zu Krisensymptomen in Natur und Gesellschaft führen. Durch das absehbare Ende des fossilen Kapitalismus, Machtverschiebungen im Nord-Süd-Verhältnis und den Einfluss von sozialen Netzwerken erfährt die neoliberale Weltordnung Aufruhr und Kontrollverlust. Anzeichen für den Umbruch sind Umweltzerstörungen und Krankheiten, zwischenstaatliche Machtkämpfe und Gewaltkonflikte, Terrorismus und Massenproteste. Das Überschreiten von Kipppunkten kann katastrophale Folgen mit sich bringen, aber auch Transformationsprozesse anstoßen, die Widerstandskräfte stärken und einen Übergang vom kranken Planeten zur planetaren Gesundheit ermöglichen.
Institute for Economics & Peace : COVID-19 und Frieden
Wie sich die Pandemie auf den Frieden auswirkt
Das in Sydney ansässige Institute for Economics & Peace (IEP) erstellt seit 2008 jährlich einen »Global Peace Index« und versucht darin, eine Bemessungsgrundlage für die Friedfertigkeit von Ländern auf der ganzen Welt aufzustellen. Außerdem wurde ein »Positive Peace Index« entwickelt, um Haltungen, Institutionen und Strukturen zu vermessen, die nötig sind, um friedliche Gesellschaften zu schaffen und zu bewahren. Außerdem werden Peace-Indizes zur Verfügung gestellt für Mexiko, das Vereinigte Königreich und die USA und zum globalen Terrorismus. Im Juni 2020 wurde zusätzlich ein Peace Index zusammengestellt, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den globalen Frieden abzuschätzen. W&F dokumentiert aus diesem Bericht die Zusammenfassung (S. 2) sowie eine Übersichtstabelle (S. 4), um einen Eindruck zu vermitteln, wie friedensrelevante Bereiche von COVID-19 betroffen sind.
Stefan Peters & Emily Ritzel : Krieg und Krisen in Corona-Zeiten
Das Corona-Virus wirkt wie ein Brandbeschleuniger auf viele wirtschaftliche, soziale und politische Krisen. Abseits des Interesses der Weltöffentlichkeit bedeutet die Pandemie – allen Friedensappellen zum Trotz – für viele Krisengebiete im Globalen Süden eine Stärkung von Gewaltakteuren und die weitere Verschlechterung der humanitären Situation der Zivilbevölkerung. Die Corona-Pandemie ist zweifellos eine Ausnahmesituation, doch neue globale Krisen sind bereits absehbar, allen voran die Klimakrise. Die Internationale Politik muss bereits jetzt Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen und internationale Kooperationen sowie zivile Friedenspolitiken stärken, um den globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts adäquat begegnen zu können.
Tim Bausch & Stella Kneifel : COVID-19 weltweit - Drei Länder. Drei Geschichten.
Es gibt kaum ein Land, das nicht von der COVID-19-Pandemie betroffen ist. Doch das Maß der Betroffenheit ist abhängig von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren. Gerade zu Beginn dieser Pandemie konnte man den Eindruck erlangen, dass sich der Blick vieler Menschen von Tag zu Tag engte und schließlich in einer Selbstzentrierung mündete. Zwar blickten die meisten besorgt nach Italien und Spanien, aber eher selten darüber hinaus.
Kathrin Vogler : Ressourcenverteilung in der Pandemie
Eine Chance für menschliche Sicherheit?
Wer kommt für die Milliardenkosten für die Bewältigung der Corona-Pandemie auf? Auch wenn es am Anfang hieß, Corona treffe alle gleich, zeigte sich bald, dass es sehr wohl große Unterschiede gibt, wie belastend der Lockdown war und wie gefährlich die Krankheit. Eine ähnliche Schieflage zeichnet sich bei der Frage ab, wer die Krisenkosten tragen soll. Einige sind offenbar von vornherein davon ausgenommen: So scheint ausgerechnet der Militär- und Rüstungsbereich sogar zu profitieren.
Martin Kirsch : Bundeswehr als Katastrophenschutz?
Corona-Pandemie verdeutlicht Missstände
Die Bundeswehr geriert sich in der Corona-Pandemie als besserer Katastrophenschutz und nutzt ihre Aktivitäten für eine Propagandaoffensive. Währenddessen geraten die ohnehin unterfinanzierten Institutionen der zivilen Krisenvorsorge nicht nur medial ins Hintertreffen. Das Vordringen der Bundeswehr in den zivilen Katastrophenschutz ist kein neues Phänomen in der Corona-Pandemie, wird aber wie diverse andere gesellschaftliche Schieflagen in der aktuellen Krise besonders deutlich.
Anna Holzscheiter : Im Auge des Sturms - Die WHO in der COVID-19-Pandemie
Who is WHO? Zweifelsohne hat sich innerhalb von nur wenigen Monaten die Zahl der Menschen vervielfacht, die wissen, was sich hinter dem Akronym WHO verbirgt. Wie schon bei anderen Gesundheitskrisen vor und nach dem Ende des Kalten Krieges blicken große Teile der Weltbevölkerung und selbst der Mitgliedsstaaten mit gemischten Gefühlen auf die Weltgesundheitsorganisation. Die Autorin geht den aktuellen Diskussionen um die WHO nach und erklärt am Ende, warum eine handlungsfähige und finanziell ausreichend ausgestattete WHO unverzichtbar ist.
Marcel Vondermaßen : Problematische Kriegsmetaphern
Warum wir nicht von einem »Krieg gegen SARS-CoV-2« sprechen sollten
Kriegsmetaphern sind seit Langem Teil politischer Rhetorik. »Krieg« wurde von führenden Politiker*innen der Armut erklärt (Lyndon B. Johnson, 1964), dem Krebs (Richard Nixon, 1971), Aids, den Drogen, dem Klimawandel … Derzeit wird die Kriegsmetapher zur Mobilisierung gegen eine globale Pandemie genutzt. Im Folgenden wird gezeigt, welcher Nutzen und welche Probleme sich aus ihrer Verwendung ergeben. Insbesondere wird herausgearbeitet, wie problematisch und folgenreich es sein kann, Kriegsmetaphern zu verwenden, wenn das »zu bekämpfende« Phänomen hauptsächlich medizinische und soziale Dimensionen aufweist.
Pia Falschebner : Macht und Erinnerung (Dekolonialisierung)
Post-koloniale Perspektiven auf die Erinnerungskultur des Kolonialismus
In den letzten Jahren ist die Frage der Dekolonisierung und des Umgangs mit der deutschen Kolonialvergangenheit zunehmend in den Fokus gerückt. Obwohl sich ein langsamer Wandel feststellen lässt, bleibt die deutsche Kolonialgeschichte ein blinder Fleck in der deutschen Erinnerungskultur. Gleichzeitig ist die Erinnerung an die Kolonialzeit für viele Betroffene weiterhin präsent und schreiben sich koloniale Kontinuitäten ungebrochen fort. Wie tief struktureller Rassismus auch in Deutschland gesellschaftlich immer noch verankert ist, zeigt die aktuelle Debatte zur »Black Lives Matter«-Bewegung. Der nachfolgende Artikel erläutert die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, das sich mit den Folgen und Veränderungspotentialen der momentanen Erinnerungskultur des Kolonialismus befasste.
GesellschaftTim Bausch : Die politischen Facetten des Sports
Zwischen Herrschaft und Emanzipation
Der nachfolgende Beitrag thematisiert die politischen Implikationen des Sports. Die damit einhergehende Perspektive wählt die Termini »Herrschaft« und »Widerstand« als begriffliches Fundament. Verschiedene Beispiele, aus ganz unterschiedlichen Sportarten, dienen der Illustration. So wird deutlich, dass Sport sowohl eine Arena mächtiger Interessen als auch widerständiger Praktiken sein kann.
Ulrich Wagner : Gewalt gegen Fremde
Studie: Viele Ausländer*innen, weniger fremdenfeindliche Straftaten
Fremdenfeindliche Straftaten sind insbesondere 2015 und 2016 in zeitlichem Zusammenhang mit der verstärkten Einwanderung von Geflüchteten nach Deutschland und Europa stark gestiegen. Immer noch verharren sie auf einem hohen Niveau. Dabei zeigen sich starke lokale Unterschiede. Uns, einem Verbund von universitären Forscher*innen und Kolleg*innen vom Bundeskriminalamt, interessierte, wie man dies erklären kann.
Elsa Benhöfer : Der »Konsens für den Frieden« (Europäische Union)
Friedenspolitische Ansätze der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Durch die COVID-19-Krise, aber auch die sich ständig verändernden internationalen Allianzen, steht die externe Politik der Europäischen Union vor großen Herausforderungen. Am 1. Juli 2020 übernahm Deutschland für ein halbes Jahr die Präsidentschaft des EU-Rates. „Eine handlungsfähige Europäische Union für eine partnerschaftliche und regelbasierte internationale Ordnung″ – so beschreibt die Bundesregierung im letzten Kapitel ihrer Agenda »Gemeinsam. Europa wieder stark machen« das Ziel des europäischen „Außenhandelns″ (Auswärtiges Amt 2020, S. 21). Dieser Artikel skizziert die dort vorgestellten friedenspolitischen Ansätze und fragt, wo Lücken bestehen bleiben – mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft und darüber hinaus.
Bernd Hahnfeld : Nukleare Teilhabe ist völkerrechtswidrig (Atomwaffen)
Ein Widerspruch zur anderslautenden Behauptung der Bundesregierung
Die gegenwärtige Debatte über die Neuanschaffung von Trägerflugzeugen für den Einsatz der in Büchel stationierten US-amerikanischen Atomwaffen führt erneut zu der Frage, ob die nukleare Teilhabe überhaupt mit dem Völkerrecht und dem deutschen Recht im Einklang steht. Diese Frage ist zu trennen von dem wiederholt vorgebrachten Argument, dass Völkerrecht nur eine geringe politische Relevanz hat, weil seine Durchsetzung nur erzwungen werden kann, wenn der UN-Sicherheitsrat entsprechende Maßnahmen anordnet. Das geschieht dann nicht, wenn nur einer der Vetostaaten seine Interessen gefährdet sieht. Nach dem Grundgesetz bindet jedoch das Völkerrecht die Bundesregierung und die Bundeswehr und setzt ihrem Handeln deutliche Grenzen, die auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden können.
ForumW&F-Herausgeberkreis : Aus dem Herausgeberkreis
Corona, Gesundheitswesen und Datenschutz - FIfF-Kommunikation 2/2020
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Christine Buchwald & Eva-Maria Hinterhuber & Lena Merkle & Victoria Scheyer & Elke Schneider :
Intersektionale Zugänge - 3. Tagung des Netzwerks Friedensforscherinnen, Hochschule Rhein-Waal, 16.-17. Juni 2020
Bereits zum dritten Mal luden die Frauenbeauftragten der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK) am 16. und 17. Juni zur Tagung »Feministische Perspektiven der Friedens- und Konfliktforschung« ein. Diesmal lag der Fokus auf intersektionalen Zugängen, also auf den Wechselwirkungen, die sich aus unterschiedlichen Differenzkategorien, wie Geschlecht, Ethnizität und Klasse, ergeben. Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit der Geschäftsstelle der AFK, angesiedelt an der Hochschule Rhein-Waal, sowie der dortigen Fakultät Gesellschaft und Ökonomie ausgerichtet.
Hannah Rainer : Drohnen und Völkerrecht
Heidelberger Salon digital, MPIL, Heidelberg, 11. Juni 2020
In die im Koalitionsvertrag vorgesehene Debatte über die Beschaffung einer Bewaffnung für Drohnen der Bundeswehr reiht sich ein Expert*innengespräch ein, zu dem das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) am 11. Juni 2020 im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Heidelberger Salon digital: Bewaffnete Drohnen und das Völkerrecht« einlud. Im Folgenden werden ausgewählte Themenschwerpunkte und Kontroversen der Veranstaltung nachgezeichnet.
Dossier Nr. 90 :
Autonome Waffensysteme – auf dem Vormarsch? Autonome Waffen auf dem Vormarsch - von Thomas Küchenmeister
Autonome Waffensysteme - Sachstand und Gefahren - von Jürgen Altmann
Skynet oder Slaughterbots : Schwarmintelligenz in Militär, Politik und Populärkultur - von Jutta Weber
Ein friedensethischer Blick auf autonome Waffensysteme - von Renke Brahms
Humanitäres Völkerrecht und autonome Waffensysteme . von Johanna Trittenbach
Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück? - Zum Stand der Genfer Gespräche - von Anna Katharina Ferl
Verifikation einer Regulierung autonomer Waffensysteme - von Anja Dahlmann