Kurzinfo:
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Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, Selbstständige Schule – so lautet das zentrale bildungspolitische Vorhaben der Niedersächsischen Landesregierung für die kommenden Jahre. Die Selbstständige Schule ist die konsequente Fortsetzung unserer niedersächsischen Schulreform. Mit ihr initiieren wir einen radikalen Umbau unseres Schulsystems, wie er in den erfolgreichen PISA-Ländern schon vor Jahren begonnen hat. Die PISA-Studie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass es uns nicht so gut wie anderen Ländern gelingt, Kinder unabhängig von ihrer Herkunft zu fördern. Die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften liegen international am unteren Ende des mittleren Leistungsniveaus, also erheblich unter dem OECD-Schnitt. Die Leistungsspanne zwischen lernstarken und lernschwachen Schülerinnen und Schülern ist in keinem Land so groß wie in Deutschland. Fast 25 Prozent unserer 15-Jährigen gehören zur „Risikogruppe″ derer, die wegen ihrer mangelnden Lesekompetenz kaum Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. In Niedersachsen sieht es, wie wir seit der PISA-Ergänzungsstudie wissen, nicht besser aus als in anderen Bundesländern. Konsequenzen aus den PISABefunden zu ziehen, heißt zunächst, sich anzuschauen, was die erfolgreichen PISA-Länder wie z.B. Finnland, Kanada, Schottland, Schweden oder auch Neuseeland anders und besser machen. Was und wie können wir von ihnen lernen – ohne in bloße Nachahmung zu verfallen –, damit wir die Unterrichtsqualität und die Schülerleistungen nachhaltig steigern können? Eine vergleichende Analyse des Schulwesens dieser Länder hat gezeigt: . Schulen bestimmen dort im Rahmen weniger staatlicher Vorgaben und auf der Basis von Vereinbarungen wesentliche Elemente ihres Alltags selbst: die Stundentafel wird bei vorgegebenem Stundenvolumen für die Fächer selbstständig fixiert, die Unterrichtszeiten werden frei gestaltet und rhythmisiert und schließlich werden die Stunden- und Pausenzeiten sowie die Projektphasen festgelegt; die Kernzeit für Unterricht und die Präsenzzeit der Lehrerinnen und Lehrer für Reflexion und pädagogische Abstimmung werden schulintern festgelegt. . Entsprechend dem schulischen Bedarf erfahren die Lehrkräfte eine flexible und bedarfsgerechte Qualifizierung. Sie arbeiten im Team und stimmen sich regelmäßig in ihren Arbeitszusammenhängen ab. . Schulleitungen haben eine Dienstvorgesetzten-Funktion. Sie verfügen über ein Globalbudget. Für die Verwaltung der Schule und andere Aufgaben steht ihnen Assistenz zur Verfügung. Die Verantwortung für die Schule teilen sich die Schulträger, Eltern, Schulleitungen und Lehrkräfte. 2 . Es gibt dort eine ausgeprägte Rückmeldungs-Kultur, die alle an der Schule Beteiligten umfasst. Die Selbst-Vergewisserung über das Lernen und seine förderlichen Voraussetzungen ist für alle Beteiligten eine Selbstverständlichkeit: Also die Organisation in der Schule, die Art der Zusammenarbeit im Kollegium, mit den Eltern und mit außerschulischen Partnern, die für die unterrichtliche Arbeit hilfreich sind, der Unterricht, das Klima in der Schule und die Frage, ob und wie die Schule erfolgreiches Lernen unterstützt. . Die Beteiligten diskutieren über die Ergebnisse der Selbst-Evaluation und die daraus zu ziehenden Konsequenzen und treffen Entscheidungen über notwendige Veränderungen gemeinsam. Entscheidend ist aber auch hier, dass die, um die es im Kern geht, die Schülerinnen und Schüler, in die Evaluation und die Rückmeldungen einbezogen sind. Was können wir daraus für die Weiterentwicklung unserer Schulen in Niedersachsen lernen? Wir brauchen eine Selbstständige Schule mit Qualitäts- und Ergebnisverantwortung, die unsere Schülerinnen und Schüler zur Mitarbeit und Übernahme von Mitverantwortung befähigt, ihnen individuelle Leistungssteigerung und Erhöhung ihres Lernerfolges ermöglicht, aber auch eine partnerschaftliche Kooperationskultur. Eine Schule, die gekennzeichnet ist durch Toleranz und Offenheit, durch Ergebnisverantwortung und Rechenschaftslegung. Der Kerngedanke der Selbstständigen Schule lautet deshalb: Selbstständigkeit und Gestaltungsfreiheit der Schule innerhalb staatlicher Rahmensetzung und Qualitätsvorgaben treten an die Stelle bürokratischer Feinsteuerung. Staatliche Regelungen sollen ersetzt werden durch eine Leistungsvereinbarung zwischen der Schule, dem Schulträger und dem Land. Augenblicklich gibt es insgesamt 312 gültige, vom Kultusministerium erlassene Verwaltungsvorschriften. Schule und Land vereinbaren, welche davon für sie aufgehoben werden. Grenzen wird es dort geben, wo es um die Anerkennung der Abschlüsse von Schülerinnen und Schülern geht sowie um die Herstellung eines gleichwertigen Bildungsangebotes. Mit diesem Heft beginnen wir eine Reihe von Broschüren zur Selbstständigen Schule. Dieses erste Heft widmet sich der Zielperspektive. Im Folgenden wird daher herausgearbeitet, welche Ansätze die Selbstständige Schule zu einem Gewinnermodell für alle am Schulgeschehen Beteiligten machen sollen: für die Schülerinnen und Schüler, die Eltern, die Lehrkräfte, die Schulleitungen, die Schulträger und die Schulbehörden. Daran anschließend wird das Modell des Schulaufsichtsrates vorgestellt, der allen Selbstständigen Schulen zur Seite gestellt wird. Abschließend zeigt dieses Heft die Art der Einführung und den Zeitrahmen für die Selbstständige Schule auf. Die nächsten Hefte werden sich mit weiteren Aspekten der Selbstständigen Schule befassen, etwa mit der Zielvereinbarung zwischen Schule und Land, der Erlass- und Gestaltungsfreiheit, der Budgetierung, der Rolle der Schulleitungen, mit der Lehrerfortbildung, dem Vertrag zwischen Eltern, Schülerinnen und Schülern und der Schule. Die Selbstständige Schule kann nur von allen gemeinsam entwickelt werden. Deshalb brauchen wir den Diskurs. Die Zielperspektive dafür liegt vor, jetzt gilt es, die Feinkonzepte zu erarbeiten. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung. Ihre Renate Jürgens-Pieper Niedersächsische Kultusministerin
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