Editorial
Regina Hagen
In keiner Weise erschöpfend behandelt
Konflikte gehören zu unserem Leben, niemand bleibt davon verschont, sei es im privaten und beruflichen Umfeld oder auf nationaler und internationaler Ebene.
| Konflikt-/Gewaltursachen |
Gastkommentar
Thomas Seibert
In Furcht vor dem Allerschlimmsten
Bei meinem letzten Besuch in Kabul, Mitte vergangenen Jahres, hörte ich überall fast wortgleich denselben Satz: „Niemand weiß, was im nächsten Jahr geschehen wird. Ich weiß nicht, wo ich dann sein werde.″ Einige meiner Gesprächspartner haben diese Ungewissheit zwischenzeitlich hinter sich gelassen. Sie nutzen ein US-Stipendium für Kulturschaffende, haben ein Auslandsstudium begonnen, folgten einer Einladung von Freunden. Bis zum Abzug der »Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe« (ISAF) aus Afghanistan werden ihnen andere nachreisen. Zur zermürbenden Ungewissheit gehört, dass nicht einmal sicher ist, ob die Truppen, deren Anwesenheit von immer weniger Menschen gewollt wird, überhaupt gehen werden. Die USA wollen mindestens bis 2024 bleiben, mit bis zu 15.000 eigenen Soldatinnen und Soldaten und mehreren Tausend anderer Länder. Der scheidende Präsident Karzai hat seine Zustimmung dazu noch nicht gegeben: Er verhandelt weiter den Geschäftsanteil der afghanischen Gewaltoligarchie. Die wiederum steht, da gibt es jetzt kein Vertun mehr, der Demokratie, den Menschenrechten und der Frauenbefreiung nur wenig ferner als die Taliban.
| Afghanistan |
Presseschau
Jürgen Nieth
„Wer betrügt, der fliegt″
Seit Franz-Josef Strauß ist das Dreikönigstreffen der CSU in Wildbad Kreuth bekannt für markige, oft nationalistische, die Stammtischdebatten befeuernde Sprüche. So auch in diesem Jahr: Es geht gegen die »uneingeschränkte Freizügigkeit« bei der Arbeitsplatzwahl für Bulgaren und Rumänen seit dem 1. Januar. „Wer betrügt, der fliegt″, heißt es schon vor dem Kreuther Treffen, von einem drohenden fortgesetzten „Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutseinwanderung″ wird gesprochen (Zeit, 02.01.14). In der Bild-Zeitung (03.01.14) ergänzt der Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, der CDU-Abgeordnete Elmar Brock: „Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Um Mehrfacheinreisen zu verhindern, sollte man darüber nachdenken, Fingerabdrücke zu nehmen.″ Und FDP-Chef Lindner sekundiert, man müsse „ergänzend zur Integration diejenigen abschieben, die weder integrationswillig noch -fähig″ seien (Die Welt 12.0114).
| Konflikt-/Gewaltursachen | Menschenrechte |
Konfliktdynamik im »Globalen Norden«
Ulrich Wagner & Christoph Butenschön
Zur Entwicklung des Gegenübers
Sozialpsychologische Ursachen von Intergruppenkonflikten
In den großen Konflikten der letzten Jahrzehnte – von den Balkankriegen über Libyen, Ägypten bis zu Syrien – wurden und werden nationale, ethnische und/oder religiöse Zugehörigkeiten thematisiert und benutzt, um die eigenen Reihen zu schließen und sie gegen Einflüsse des Gegenübers abzuschotten. Die Autoren gehen aus sozialpsychologischer Sicht der Frage nach, welche psychologischen Mechanismen bei der Austragung solcher Intergruppenkonflikte als Erklärung herangezogen werden können.
| Konflikt-/Gewaltursachen | Friedens-/ Kriegspsych. |
Bernhard Schmid
Konflikt um Homoehe
Eine reaktionäre Massenbewegung in Frankreich
Im Frühjahr 2013 kam es in Frankreich zu einer Welle von Demonstrationen gegen ein Gesetz für gleichgeschlechtliche Ehen. Wochenlang hielt diese Auseinandersetzung die französische Gesellschaft in Atem.
| Konflikt-/Gewaltursachen | Menschenrechte |
Mario Becksteiner
Griechenland: Krise und Streik
Seit 2008 ist Griechenland ein gesellschaftliches Laboratorium für die Herausbildung von Protesten unter den Bedingungen eines krisenhaften Neoliberalismus. Zugleich ist das Land auch Versuchsanstalt eines zunehmend autoritärer agierenden Regimes neoliberaler Krisenpolitik, wie im folgenden Artikel beschrieben wird.
| Konflikt-/Gewaltursachen | Europäische Union |
Elena Vazquez Nuñez & César Amaya
Zwangsräumungen in Spanien
Gerechtigkeit und Partizipation
Der Grad der Komplizenschaft zwischen politischer Elite und Finanzinstituten zeigt sich in Spanien am Elan, mit dem die Politik auf Kosten der Lebensqualität eines Großteils der spanischen Bevölkerung die bedrohten Finanzinstitute gerettet und vor den Konsequenzen ihres eigenen Tuns geschützt hat. Den Millionen unmittelbar betroffener Bürger wurden hingegen keine Alternativen zu ihrer Wohnsituation geboten. Sie wurden kurzerhand und wortwörtlich auf die Straße gesetzt. Viele betroffene Familien mussten sich mit anderen zu Wohngemeinschaften zusammenschließen oder bei Bekannten und Verwandten unterkommen. Am schlimmsten betroffen waren aber Familien oder Personen, die über kein Auffangnetz verfügen. Sie sahen sich gezwungen, illegal Wohnhäuser und andere Gebäude zu besetzen, und wurden damit unfreiwillig in einen dauerhaften Zustand der Gesetzlosigkeit gedrängt. Dagegen formierte sich Widerstand.
| Europäische Union | Konflikt-/Gewaltursachen |
Christin Landgraf
Ungarn unter Orbán
Rechtsruck in Gesellschaft und Politik
Immer mehr Kritiker sehen Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Mihály Orbán in ein autoritäres System driften. Orbán legitimiert sein Handeln mit dem Wahlsieg seiner Partei 2010 und strebt den Aufbau eines neuen Systems an, indem er seine Partei als dominierende Kraft zu etablieren sucht. Die Opposition gegen die Regierung scheint bisher zu uneinig und schwach, um dem eine Alternative gegenüberstellen zu können.
| Europäische Union | Rechtsextr./Rassismus |
William Durston
Von Lobbyisten und Mythen
Schusswaffengebrauch in den USA
In den Vereinigten Staaten werden Schusswaffen ungleich häufiger eingesetzt als in vergleichbaren Industrieländern. Für den Autor, der jahrzehntelang als Notarzt gearbeitet und während seiner Tätigkeit zahlreiche Schusswaffenopfer medizinisch versorgt hat, ist dies ein Problem der öffentlichen Gesundheit mit epidemischem Charakter. Die Ursache sieht er in der laxen Waffengesetzgebung des Landes – und die wiederum sei durch den hartnäckigen Glauben an einfach zu widerlegende Mythen geprägt.
| Konflikt-/Gewaltursachen | Privatisierte Gewalt |
Vincenz Leuschner & Nils Böckler
School-Shootings
Aktueller Forschungsstand
Spätestens seit dem Attentat an der Columbine High School in Littleton (USA) 1999 sind Anschläge von (ehemaligen) Schülern an ihren Schulen zu einem weltweiten Phänomen geworden, das sich nicht mehr nur in Staaten des globalen Nordens (USA, Kanada, Deutschland, Finnland), sondern mittlerweile auch in Schwellenländern (Brasilien, Südafrika, Thailand) beobachten lässt. Gegenwärtig lassen sich derartige Gewaltakte in wenigstens 23 Ländern der Erde nachweisen (Bondü et al. 2013). Seit Ende der 1990er Jahre sind solche Gewalttaten Gegenstand der sozialwissenschaftlichen, kriminologischen und psychologischen Forschung, so dass mittlerweile einerseits zwar einige Erkenntnisse vorliegen, andererseits aber noch eine Vielzahl an Fragen ungeklärt ist. Im vorliegenden Beitrag soll der bisherige Erkenntnisstand zu School-Shootings vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung vorgestellt werden.
| Konflikt-/Gewaltursachen |
Erster Weltkrieg
Paul F. Walker
Chemiewaffen
Vom Ersten Weltkrieg zur weltweiten Abschaffung
Tödliche Chemikalien wurden schon vor Jahrhunderten für Straftaten oder in Kriegen eingesetzt. Der jüngste Einsatz von Chemiewaffen erfolgte im aktuellen Syrienkonflikt und führte Berichten zufolge zum Tod von etwa 1.400 Zivilisten, darunter einige hundert Kinder. Insbesondere dieser Vorfall lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit jetzt wieder auf diese alte, inhumane und unterschiedslose Art, zu töten und Krieg zu führen.
| Chemiewaffen | Historische Friedensf. |
Jürgen Nieth
Zum Krieg – im Krieg – gegen den Krieg
»1914 – Die Avantgarden im Kampf«. Unter diesem Titel befasst sich eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn mit der modernen Kunst vor dem und im Ersten Weltkrieg. Sie präsentiert vom 8. November 2013 bis zum 23. Februar 2014 über 300 herausragende Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen sowie dokumentarische Fotografien von 60 der wichtigsten Künstler und Künstlerinnen Europas. Unter ihnen viele, die vor dem Krieg international einen engen Austausch miteinander gepflegt hatten und ihre Werke in vielen Ländern Europas ausstellten. KünstlerInnen, die sich in Vereinigungen zusammengeschlossen hatten, wie der »Blaue Reiter«, die von vornherein international angelegt waren, und die häufig über die Landesgrenzen hinweg eng befreundet waren. 1914 standen sie sich dann »im Feld« oder mit ihrem Wirken in der Etappe gegenüber.
| Feindbilder | Religion/Kultur |
EU-Türkei
Michelle Kerndl-Özcan
Burden-Sharing
Wie und weshalb die EU die türkische Flüchtlingspolitik unterstützt
Die Europäische Union hat ihre Unterstützung der türkischen Flüchtlingspolitik und des Aufbaus eines funktionierenden Asylsystems in der Türkei im letzten Jahrzehnt sukzessive erweitert. Dabei leistet sie insbesondere finanzielle und technische Hilfe, während sie sich kaum an UNHCR-Umsiedlungsprogrammen aus der Türkei beteiligt. Dieser Beitrag hinterfragt die Motivationen dieses Engagements und setzt das geleistete Burden-Sharing in Zusammenhang mit den breiteren Zielen der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik.
| Asyl/Flucht | Europäische Union |
Atomtechnik
Udo Buchholz
Nukleare Geschwister
Urananreicherungsanlagen im Iran und in der Bundesrepublik
Seit 1985 ist im westfälischen Gronau (NRW) die deutsche Urananreicherungsanlage (UAA) in Betrieb. Sie produziert Nuklearbrennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt. Mit der Zentrifugentechnik, die in ihr zum Einsatz kommt, könnte auch hoch angereichertes Uran für Atombomben hergestellt werden. RWE und E.ON wollen ihre Anteile an dem Betreiberkonzern Urenco verkaufen. Unklar ist, an wen.
| Rüstung/R.-industrie |
Forum
W&F-Herausgeberkreis
Aus dem Herausgeberkreis
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Sara Stadler
Cyberpeace – Frieden gestalten mit Informatik
29. FIfF-Jahrestagung, 25.-27. Oktober 2013, Siegen
Im Fokus der 29. Jahrestagung des »Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung« (FIfF), die unter dem Motto »Cyberpeace – Frieden gestalten mit Informatik« ausgerichtet wurde, stand aus aktuellem Anlass die Nutzung – oder besser der Missbrauch – der Informationstechnologie für Überwachung, Spionage und digitale Kriegsführung. Gegenentwürfe zur Dystopie des totalen Überwachungsstaates sind dringend gefordert. So wurde in den Vorträgen und Arbeitsgruppen immer wieder das emanzipatorische Potential der Informatik hervorgehoben und die Möglichkeit eines »Cyberpeace« diskutiert.
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Thomas Mickan
Krieg um die Köpfe
Kongress der Informationsstelle Militarisierung, 16.-17. November 2013, Tübingen
Mit rund 200 Besucherinnen und Besuchern verzeichnete der IMI-Kongress 2013 einen Besucherrekord. Unter dem Titel »Krieg um die Köpfe – Über die Mobilisierung von Zustimmung und die Demobilisierung von Protest« beschäftigten sich die Referent_innen und Teilnehmer_innen mit den verschiedenen Strategien, die Politik und Militär einsetzen, um in der Bevölkerung eine Zustimmung zu (oder zumindest eine Passivität gegenüber) der deutschen Kriegspolitik zu erzeugen. Nicht nur mit Blick auf das rege Interesse, auch inhaltlich war der Kongress ein Erfolg. Von vielen Besucherinnen und Besucher kam die Rückmeldung, dass sie neben guter Stimmung auch viele neue Informationen, insbesondere aber zahlreiche Ansatzpunkte und neue Motivation für Aktionen gegen Bundeswehr und Rüstungsindustrie mit nach Hause nähmen.
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Renate Grasse & Bettina Gruber & Dieter Lünse
Der friedenspädagogische Blick
Jahrestagung des AK Friedenspädagogik der AFK, 23.-24. September 2013, Tübingen
Vor einem Jahr hatte sich die Jahrestagung des Arbeitskreises Friedenspädagogik der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. (AFK) mit Gewaltprävention und Friedenspädagogik in Deutschland, Österreich und der Schweiz befasst. Damals wurde deutlich, dass zur Gewaltprävention noch zu häufig isolierte Einzelprojekte durchgeführt werden, zu selten auf Vernetzung, Partizipation, das pädagogische Interesse und die Einbindung der Friedenspädagogik in die Ausbildung der PädagogInnen geachtet wird.
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Niklas Wieczorek
Gespannte Verhältnisse
Jahrestagung des Arbeitskreises Historische Friedensforschung, 17.-19. Oktober 2013, Hamburg
„Nicht nur die Bewegung ist in Bewegung, sondern auch der Frieden″, begrüßte Claudia Kemper (Hamburg) die etwa 40 Teilnehmer/innen der Jahrestagung »Gespannte Verhältnisse. Frieden und Protest in Europa in den 1970er und ′80er Jahren« des Arbeitskreises Historische Friedensforschung, die in Kooperation mit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg durchgeführt wurde. Sie formulierte damit einen hohen Anspruch für die drei Tage: Sie forderte die anwesenden Wissenschaftler/innen zur Kritikbereitschaft gegenüber ihrer Forschung und deren Begriffen auf. Denn aus der Gegenwart sind immer neue Fragen an die historische Friedensforschung zu richten, die sich unter anderem mit Handlungsprozessen, -optionen und -alternativen der Akteure der Friedensbewegung befasst und über die Ereignisgeschichte weit hinausgeht. Der Veranstaltungstitel »Gespannte Verhältnisse« nahm daher explizit die Aushandlungsprozesse einer heterogenen Friedensbewegung in den Blick, deren Konjunktur die meisten Referenten/innen in der großen Welle der Massendemonstrationen gegen nukleare Aufrüstung Anfang der 1980er Jahre sahen. Die erste Hälfte der 1970er Jahre oder die Anti-Vietnamkrieg-Bewegung standen weniger im Fokus, wie Jost Dülferer (Köln) resümierte. Auch auf der Tagung sollten sich befruchtende kommunikative Spannungen ergeben.
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Xanthe Hall
Nuclear Exits
Internationaler Kongress, 18.-19. Oktober 2013, Helsinki
Heute, während ich diesen Bericht schreibe, kam die Nachricht, dass Nelson Mandela gestorben ist. Er wird vor allem als der Präsident gefeiert, der der Apartheid in Südafrika ein Ende setzte. Er und der damalige Präsident Frederik de Klerk wurden 1993 für die Beendigung der Apartheid und das Schaffen eines Fundaments für ein neues Südafrika mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Südafrika wurde aber in dieser Zeit nicht nur von der Apartheid befreit, sondern auch von Atomwaffen: 1993 ließ de Klerk wissen, Südafrika habe seine sechs (heimlich gebauten) Atomwaffen zerstört und wolle nun Mitglied im Nichtverbreitungsvertrag werden.
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Corinna Hauswedell
Eine Singularität
Egbert Brieskorn, 1936-2013
Wir kannten uns fast dreißig Jahre. Wirklich? Nicht immer machte der radikale Pazifist es einem leicht. Seine Unbedingtheit und eine bestechende Logik schienen manchmal weitere Nachfragen zu erübrigen: „Ich habe Ihnen doch gesagt, Frau Hauswedell …″
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