Editorial
Albert Fuchs
Vereinfachen bringt nichts!
Für die zeitgenössische atheistische Religionskritik ist Religion (u.a. auch wieder) ein in sich gewaltförmiges Wahnsystem; wenn nicht Ursache ungezählter Gewaltkonflikte, dann doch ein hoch gefährlicher Brandbeschleuniger. Und zwar Religion grundsätzlich und jeder Machart und Provenienz, insbesondere aber in ihrer monotheistischen Gestalt. Seit dem 11. Sept. 01 stimmen Künder eines Kampfes der Kulturen dieses Lied vor allem auf den Islam an.
| Religion/Kultur |
Gastkommentar
Michael Youlton
Hallo Brüssel – Hört ihr uns?
Das Nein-Lager hat einen umfassenden Sieg im Referendum über den Lissabonvertrag errungen. 53,4 Prozent Nein-Stimmen standen 46,6 Prozent Ja-Stimmen entgegen. Die Wahlbeteiligung war mit 53,1 Prozent doppelt so hoch wie beim Referendum zum Vertrag von Nizza. In 33 der 43 Wahlbezirke errang das Nein eine Mehrheit; zudem war das Nein - mit bis zu 65 Prozent - am stärksten in den Arbeitervierteln. Der Sieg des Nein-Lagers wurde überwiegend errungen von einer Reihe kleiner linker Organisationen, einigen Gewerkschaften und Sinn Fein - gegen das gesamte irische politische Establishment (die vier großen Parteien, Fianna Fail, Fine Gail, Labour und die Grünen), gegen alle Arbeitgeberorganisationen, die Führung der Katholischen Kirche, die mächtige »Allianz für Europa« und gegen 90 Prozent der Medien.
| Europäische Union |
Presseschau
Jürgen Nieth
Bomben Unsicherheit
„19 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs üben deutsche »Tornado«-Piloten noch immer, wie sie Waffen mit der zehnfachen Explosivkraft der Hiroshima Bombe von 1945 über Feindesland abzuwerfen hätten.″ (Spiegel, 27/2008, S.42) Diese US-Atomwaffen - geschätzte Anzahl 10 bis 20 - lagern in Büchel in der Eifel. Deutschland ist keine Atommacht. „Aber es gibt in der NATO das Prinzip der atomaren Teilhabe: Bündnispartner dürfen im Ernstfall unter US-amerikanischem Befehl und amerikanischer Aufsicht amerikanische Atomwaffen einsetzen.″ (FR 24.06.08., S.2)
| A-waffen | Abrüstung/Konversion |
Aufruf
Redaktion
Call for Papers
Zivile Konfliktbearbeitung, Gewalt- und Kriegsprävention
In vielen Schriften der Friedensbewegung und der Friedensforschung werden Analysen über bestehende oder aufkommende gewaltsame Konflikte im internationalen Bereich und innergesellschaftlicher Art publiziert. Die Darlegung der Konflikte und die Kritik an den Konfliktakteuren stehen dabei im Vordergrund.
| Konfliktbearb./-prävention |
Religion als Konfliktfaktor
Anne-Katrin Henseler & Jan Christopher Cohrs
Wie friedfertig sind die Frommen?
Christliche Religiosität und militaristische Einstellungen
Das Verhältnis von christlicher Religiosität und militärischer Gewalt erscheint paradox. Während die christliche Ethik von Werten wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Versöhnungsbereitschaft bestimmt ist, kam es in der Geschichte der christlichen Kirchen und bis in die jüngste Zeit oftmals zur gewaltsamen Unterdrückung von Andersgläubigen und zu erbitterten Konfessionskriegen. Vor diesem Hintergrund liegt die Frage nahe, in welcher Beziehung persönliche Religiosität und Einstellungen zu militärischer Gewalt stehen, wie die kollektive religionsbasierte Gewalt im Überzeugungs- und Wertsystem der christlichen Frommen verankert ist.
| Religion/Kultur |
Hans G. Kippenberg
Religionsgemeinschaften und Gewalt
Dass die Gewalttätigkeit von religiösen Gemeinschaften auch im Handeln ihres Gegenüber begründet sein kann, ist eine wichtige Erkenntnis religionswissenschaftlicher und -soziologischer Studien. Andere Konfliktdimensionen - etwa die dabei wirksame Anrufung von religiösen Erzählungen, der Stellenwert von Heilserwartungen oder auch die Relevanz semantischer Deutungsmuster - harren einer weitergehenden, insbesondere komparativen Forschung. Schließlich dürften insbesondere die Kategorie der Moral(ität) religiös motivierter Akteure zu kontroversen Beurteilungen führen.
| Religion/Kultur | Konflikt-/Gewaltursachen |
Uwe Skoda
Nach den Wahlen ist vor den Wahlen
Die Hindu-nationalistische Bewegung zwischen Machtverlust 2004 und Neuwahlen 2009
Durch den gewaltsamen Abriss der Babri-Moschee in Ayodhya 1992, durch den Regierungsantritt 1998 und die unmittelbar folgenden ersten offiziellen Atomtests sowie durch das anti-moslemische Pogrom im Bundesstaat Gujarat 2002 geriet die Hindu-nationalistische Bewegung in Indien international in die Schlagzeilen, sorgte gleichermaßen für Aufsehen und Entsetzen. Mit der Niederlage der Hindu-nationalistischen »Indischen Volkspartei« (Bharatiya Janata Party/BJP) und ihrer Allianzpartner bei den Unionswahlen 2004 wurde es dagegen vergleichsweise still um diese politisch-religiöse Bewegung. Nachrichten über die boomende Wirtschaft des »erwachenden Elephanten« und über die bunte, aber wenig repräsentative Bollywood-Welt bestimmen stattdessen das aktuelle Indienbild. Was aber ist aus dem Projekt zur Schaffung einer »Hindu-Nation« geworden? Wohin steuern die BJP und die Hindu-nationalistische Bewegung vor den nächsten Wahlen 2009?
| Religion/Kultur | Pakistan/Indien/Kaschmirkonfl. |
Rolf Verleger
Jüdische Identität und Nahostkonflikt
In kaum einem anderen zeitgenössischen politischen Konflikt sind politische und religiöse (Identitäts-) Belange dermaßen ineinander verknäult wie im Israel-Palästina-Konflikt. Der Initiator einer Petition von Jüdinnen und Juden aus Deutschland für ein Ende der deutschen und der EU-Unterstützung der israelischen Besatzungspolitik (»Schalom 5767«), Professor Rolf Verleger, erläutert im folgenden Beitrag seine Sicht des jüdischen Anteils an dieser Verstrickung. Dazu greift er, »dichterisch« verfremdend, auf die große Befreiungserzählung der hebräischen Bibel zurück. Vielleicht lässt sich auf diese Weise der Paradigmawechsel, der notwendig wäre, um aus dem Schlamassel herauszukommen, eindrucksvoller verdeutlichen als durch eine konventionelle Analyse.
| Religion/Kultur | Israel/Palästina |
Conrad Schetter
Talibanistan
oder das Ende staatlicher Ordnung
Dieser Artikel leistet einen Beitrag zu den gegenwärtigen Debatten um failed states und um den »Krieg gegen den Terrorismus«. So führt das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet, das hier als Talibanistan bezeichnet werden soll, nicht allein das Versagen und die Abwesenheit von Staatlichkeit vor Augen, sondern verkörpert Anti-Staatlichkeit per se. In Talibanistan offenbaren sich daher nicht allein Funktionsschwächen moderner Staatlichkeit, sondern dort ist das Handeln der Bevölkerung Ausdruck einer anti-staatlichen Grundhaltung.
| Pakistan/Indien/Kaschmirkonfl. | Afghanistan |
Markus A. Weingardt
Religion als Friedensressource
Potenziale und Hindernisse
Im Kielwasser von Samuel Huntingtons gewagter These entspann sich in den vergangenen Jahren an Stammtischen und Universitäten, in Gotteshäusern und Parlamenten eine rege Diskussion über den »Kampf der Kulturen«. Religionen als elementarem Teil von Kultur kommt bei Huntington eine genuin Konflikt stiftende Bedeutung zu. Darum zieht er seine Bruchlinien auch entlang religiöser bzw. konfessioneller Grenzen. Unter den verschiedenen Schwächen der »clash«-These war die Beschränkung der politischen Rolle von Religionen auf deren Konflikt stiftende bzw. verschärfende Wirkung besonders folgenreich, weil der wissenschaftliche Diskurs - bei aller Detailkritik an Huntington - dieser Engführung nahezu blindlings folgte.
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Friedensforschung aktuell
Stephan Marks
Scham und Ehre
Die verborgene Dimension von Konflikt und Gewalt
Die sozialpsychologische Konfliktanalyse oszilliert seit Jahrzehnten zwischen einem auf Bedürfnisse und Interessen konzentrierten »realistischen« Ansatz und dem Identitäts- und Beziehungsfragen hervorhebenden »symbolischen« Verständnis. Der Autor des vorliegenden Beitrags bringt in eindrucksvoller Weise die Scham-und-Ehre-Dynamik im Konfliktgeschehen zur Sprache. Damit macht er zumindest plausibel, dass eine systematische Berücksichtigung entsprechender »symbolischer« Größen ebenso für ein vertieftes Verständnis im Besonderen auch von interkulturellen Konflikten angezeigt ist wie für einen konstruktiv(er)en Umgang mit ihnen.
| Konflikt-/Gewaltursachen |
Frank Möller
Friedenswissenschaft als Bildforschung
Dass Friedenswissenschaft sich (auch) mit Bildern beschäftigen sollte, bedarf keiner ausführlichen Begründung: Visualität ist „ein Medium, in dem Politik [...] betrieben wird″ 1 und damit auch Friedens- und Kriegspolitik. Visualität ist allerdings auch ein Medium, in dem Kriegspolitik kritisiert und unterminiert werden kann. Gerüchte, nach denen die Veröffentlichung bestimmter Fotos (vor allem Nick Uts »Accidental Napalm«) zum Ende des Vietnamkriegs beigetragen habe, halten sich hartnäckig (auch wenn unter den Befürwortern dieser These umstritten ist, warum sie zum Ende des Kriegs beigetragen haben). Der Legitimitätsverlust der US-amerikanischen Kriegführung im Irak in Folge der Veröffentlichung der Fotografien aus Abu Ghureib kann kaum bestritten werden.
| Friedenswiss./-forschung |
Jürgen Wagner
Orwell im Tschad
Wie Österreich und die EU Militäreinsätze über die Entwicklungshilfe querfinanzieren
Am 15. Oktober 2007 hatte die Europäische Union beschlossen, eine Militärmission in den Tschad und die Zentralafrikanische Republik zu entsenden. Nachdem Österreich von den bis Mitte Juni 3.048 stationierten Soldaten des EUFOR Chad/RCA-Einsatzes 181 stellt, sorgte Mitte April die Meldung für große Empörung, dass die Kosten hierfür in Höhe von zunächst 25 Mio. Euro dem Entwicklungshilfeetat entnommen werden.
| Entwicklungspolitik |
Alternativen
Jürgen Rose
„Sagt Nein!″
Gehorsamsverweigerung im EU- und NATO-Umfeld
Desertion und Gehorsamsverweigerung von SoldatInnen: Auch wenn sie der breiten Öffentlichkeit häufig nicht bekannt werden, so gibt es sie doch in allen Kriegen und in allen Armeen dieser Welt. Anhand zweier international bekannter Fälle von Befehlsverweigerungen - First Lieutenant Ehren K. Watada (US Army) und Flight Lieutenant Dr. Malcolm Kendall-Smith (Royal Air Force) - lassen sich die jeweiligen Beweggründe und der Umgang des Militärs mit diesen Soldaten eindringlich studieren.
| Kriegsdienstverweigerung |
Julia Kramer
Atomwaffen... sooo veraltet!
Wie ein partizipatives Bildungsprojekt ein Thema aus der Versenkung holt
Atomwaffen: Thema des letzten Jahrhunderts? Das Thema Atomwaffen wird in der Breite der Bevölkerung selten als eines der dringlichen Themen wahrgenommen. Lediglich 12% der Bundesbürger wissen mit Bestimmtheit, dass in Deutschland US-Atomwaffen lagern (StratCom 2006). Bei einer (nicht repräsentativen) Passantenbefragung der Friedenswerkstatt Mutlangen im Jahr 2004 fehlte insbesondere unter den Befragten im Schul- und Studienalter oft selbst das Wissen über den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.
| Friedenspädagogik |
Konferenzberichte
Petra Hoffmann
Frieden mit dem Unfrieden? Wissensbestände im Wandel
Jahreskolloquium der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Schlotter, Vorsitzender der AFK, und in Kooperation mit Uwe Trittmann, Studienleiter der Evangelischen Akademie Villigst, gefördert aus Mitteln der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF), hatte die Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung aus Anlass ihres vierzigjährigen Bestehens zu ihrer Jahrestagung vom 29. 2. bis 2. 3.2008 erstmals in die neuen Bundesländer, nach Leipzig, geladen. Mit der Wahl des Tagungsortes Leipzig unterstrichen die Veranstalter ihr Bestreben, künftig mehr Präsenz im Osten der Republik zu zeigen und die deutsche Friedens- und Konfliktforschung auch dort stärker zu etablieren. Gerade Leipzig habe, so Schlotter, für eine zukünftige Ausrichtung der Friedens- und Konfliktforschung Symbol- und Strahlkraft, gelte die Stadt doch durch die »Montagsdemonstrationen« und die »friedliche Revolution« ganz allgemein als Zentrum bürgerschaftlichen Engagements. Als Kooperationspartner konnten das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig - zugleich Haupttagungsort, die Universität Leipzig, Institut für Philosophie, das Bürgerkomitee Leipzig e.V. sowie namhafte Persönlichkeiten, nicht zuletzt auch der Nikolaikirche gewonnen werden. Zu unterschiedlichen Zeiten an je unterschiedlichen Orten hießen sie die FriedensforscherInnen in Leipzig willkommen: Dr. Anne Martin für das Zeitgeschichtliche Forum, Prof. Dr. Georg Meggle für die Universität, Tobias Hollitzer für das Bürgerkomitee. Zu einem Empfang lud zudem der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung in die Alte Handelsbörse am Naschmarkt.
| Friedenswiss./-forschung |
Bentje Woitschach
Soldatentod in heutigen Kriegen
Herausforderungen für politische Normenbildung und Erinnerungskultur
Unter dem programmatischen Titel »Soldatentod in heutigen Kriegen - Herausforderungen für politische Normenbildung und Erinnerungskultur« fand vom 6. bis 8. Juni 2008 in der Evangelischen Akademie Loccum in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (Landesverband Niedersachsen) und der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung unter der Leitung von Prof. Rolf Wernstedt (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) und Dr. Corinna Hauswedell (Evangelische Akademie Loccum) eine rege besuchte Tagung statt.
| Bundeswehr | Militär und Gesellsch. |