Editorial
Editha von Colberg
Klimafluch(t)
Die Ergebnisse der Wissenschaft sind unmissverständlich: Der globale, anthropogen bedingte Klimawandel findet statt, die Folgen sind spürbar, ohne rasches Gegensteuern drohen unkontrollierbare Risiken. Der vierte Sachstandsbericht des International Panel on Climate Change (IPCC), der den wissenschaftlichen Konsens zur Klimaforschung en gros wiedergibt, macht explizit deutlich: Die globale Klimaerwärmung hat fatale Konsequenzen für das Leben auf unserer Erde. In den letzten 100 Jahren hat sich die globale Durchschnittstemperatur um ca. 0,74 °C erhöht, ab einem Anstieg um 2 °C gegenüber vorindustriellen Werten wird eine „gefährliche″ Veränderung des Klimas erwartet. Bei ungebremstem Emissionsanstieg wird bis Ende des 21. Jahrhunderts eine Zunahme um bis zu 4 °C befürchtet. Andere Berichte wie der Stern-Review prophezeien unter Berücksichtigung sogenannter »Rückkoppelungseffekte« (wie das Entweichen von Methan durch auftauende Permafrostböden) bereits bis Mitte des Jahrhunderts 2 bis 5 °C Erwärmung. Die Folgen? Erhöhter Niederschlag, verstärkte Kondensation, steigende Meerespegel, extreme Wetterereignisse wie unkalkulierbare Sturmdynamiken oder ungewöhnliche Regen- bzw. Dürreperioden - der gesamte Wasserhaushalt gerät aus dem Gleichgewicht. Die Ausbreitung von Wüsten sowie die Verschärfung internationaler Süßwasser- und Ernährungskrisen, um nur einige Konsequenzen zu nennen, sind vorprogrammiert.
| Ökologie |
Gastkommentar
Hermann Scheer
Die sieben energiebedingten Weltkrisen
Die Anhänger des fossil-atomaren Weltbildes machen ihre Rechnung ohne die weltweiten Krisen, die direkt und indirekt von atomaren und fossilen Energien generiert werden. Sieben schwerwiegende Krisen lassen sich ausmachen. Und sie sind in der Zusammenschau zu sehen.
| Energie/Rohstoffe | Ökologie |
Presseschau
Jürgen Nieth
Krieg ohne Ende
Am 1. Mai 2003 landete Georg W. Bush in Bomberjacke auf einem Flugzeugträger, um den Sieg im Irak-Krieg zu verkünden. Stolz „posiert er später gar vor einem Plakat mit der Siegesparole: »Mission accomplished«, Mission erfüllt.″ (Spiegel, Nr. 13/2008, S.36) Fünf Jahre später hat die US-Truppenstärke mit 160.000 Soldaten den höchsten Stand seit der Invasion erreicht. Die deutschsprachigen Zeitungen ziehen eine durchweg negative Bilanz.
| Irak/Golfkriege |
Migration und Flucht
Franz Nuscheler
Internationale Migration
Perzeptionen - Realitäten - Wirkungszusammenhänge der Globalisierung
Internationale Migration wird in den Ländern des Nordens häufig in erster Linie als Bedrohung von Besitzständen wahrgenommen; tatsächlich handelt es sich um ein Phänomen, das im Zuge der Globalisierung an Bedeutung gewonnen hat, von dem andere Teile der Erde jedoch viel massiver und nachhaltiger betroffen sind als die »OECD-Welt«.
| Asyl/Flucht | Weltordnung |
Dirk Vogelskamp
Die Unerwünschten
Verwaltung der Migration: Überwachung, Kontrolle und repressive Exklusion
Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene »Zuwanderungsgesetz« trägt den deutsch-bürokratischen, weniger zur Selbsttäuschung einladenden Titel »Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern«. Das Artikelgesetz ist unmissverständlich: Es will die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitsimmigrant/inn/en regeln, wobei die Vorsilbe »Zu« bereits signalisiert, dass politisch keine dauerhafte Einwanderung beabsichtigt wird, und den Ausschluss derer sicherstellen, die die vorausgesetzten arbeitsmarkt- und aufnahmepolitischen Kriterien nicht erfüllen. Man könnte die letzteren »die Unerwünschten« nennen, die das Land rasch wieder zu verlassen haben.
| Asyl/Flucht | Menschenrechte |
Joseph Nevins
Sterben für eine Tasse Kaffee?
Der Tod von Migranten an der US-mexikanischen Grenze im Zeitalter des Neoliberalismus
Die Zahl der Toten, die mit dem unerlaubten Überqueren der Grenzen zwischen den USA und Mexiko zusammenhängt, ist seit 1994 beträchtlich gestiegen, als die Clinton-Administration eine erhebliche Verstärkung des Systems der Grenz- und Einwanderungskontrolle initiierte. Nach konservativen Schätzungen haben mehr als 4.000 »illegale« MigrantInnen ihr Leben zwischen dem 1. Oktober 1994 und dem 30. September 2007 verloren, als sie ohne Erlaubnis versuchten, von Mexiko aus in die USA einzureisen.1
| Asyl/Flucht | Menschenrechte |
Christoph Marischka
Migration als Katalysator der Rüstung
Bei nahezu allen Interventionen der letzten Jahre hat zumindest vordergründig der Schutz von Flüchtlingen eine Rolle gespielt, selbst der letzte EU-Einsatz in der DR Congo, bei dem in der entfernten Hauptstadt Kinshasa eine Wahl abgesichert werden sollte, wurde vom deutschen Verteidigungsminister Jung u.a. damit begründet, man würde es ansonsten „mit einem großen Flüchtlingsproblem in ganz Europa zu tun bekommen″.1 Erst Anfang März 2008 beschwor EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner in einem internen Papier „Sicherheitsszenarien ohne Präzedenzfall″. Durch Klimawandel, Ressourcenkonflikte und scheiternde Staaten müsse Europa „mit deutlich erhöhtem Migrationsdruck rechnen″. Solche Bedrohungsanalysen und die durch sie erzeugten Ängste dienen als Katalysator für Rüstungsprojekte und Einsatzkonzepte, die sich weniger zum Einsatz gegen imaginierte Ströme als vielmehr für eine umfassende Kontrolle der Bevölkerung und permanente Aufstandsbekämpfung eignen.
| Asyl/Flucht |
Annelise Ebbe
Gender, Flüchtlinge und bewaffnete Konflikte
Bilder von Menschen, die in überfüllten Booten das Mittelmeer passieren und dabei ihr Leben riskieren, zeigen uns vorwiegend Männer, die auf der Flucht sind oder zur Migration getrieben werden. Die Vorstellung, dass Migration ein männliches Phänomen ist, täuscht allerdings.
| Asyl/Flucht | Gender/Feminismus |
Martin Zint
Hunderttausende auf der Flucht
Hintergründe der Flüchtlingsströme im Tschad
Politisch gehört der Tschad zu Westafrika, geographisch liegt er im Herzen Afrikas und seine von den Kolonialherren gezogenen Grenzen zum ostafrikanischen Sudan und zur Zentralafrikanischen Republik scheinen nur auf Landkarten zu existieren. Die dort lebenden Menschen nehmen sie kaum wahr. Bewaffnete Gruppen überschreiten sie regelmäßig in jede Richtung. Zuletzt am 29. Januar 2008 als sich im Sudan ca. 3.000 Aufständische mit über 200 Pickups auf den Weg nach N'Djaména, der Hauptstadt des Tschad, machten, um den tschadischen Präsidenten Idriss Déby zu stürzen. Die folgenden Kämpfe kosteten mehrere hundert Menschenleben, verursachten enorme Sachschäden und endeten am 3. Februar 2008, so sagen die angreifenden Aufständischen, mit dem „Sieg der französischen Truppen″. Der despotische Präsident Déby ist weiter im Amt.
| Asyl/Flucht | Afrika |
Leila Mousa
Flüchtlingslager als Dauereinrichtungen
Wenn der Schutzraum zum Konfliktraum wird
Flüchtlingslager entstehen, wo Flüchtlinge in größerer Zahl aus Angst vor Unterdrückung, Folter, systematischer Diskriminierung oder vor kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Herkunftsländer verlassen und auf der Suche nach einer sicheren Zuflucht eine internationale Grenze überschreiten. Der Artikel geht der Frage nach, welche Konflikte auftreten, wenn Flüchtlingslager zu dauerhaften Einrichtungen werden. Dazu werden verschiedene Flüchtlingssituationen weltweit vergleichend betrachtet. Im Ergebnis zeigt sich, dass für Flüchtlinge unter Lagerbedingungen Sicherheit, Menschenwürde und Entwicklung häufig nicht gewährleistet sind.
| Asyl/Flucht | Menschenrechte |
Camilla Orjuela
Den Krieg von außerhalb führen
Die Rolle der Diaspora im Krieg in Sri Lanka
Es war beeindruckend, die Menge von wohl zehntausend Tamilen in einer Veranstaltungshalle in London im vergangenen November zu sehen. Sie hatten sich versammelt, um der Märtyrer des Kampfes um die Befreiung des tamilischen Heimatlandes aus der Gewalt des Staates Sri Lanka zu gedenken. Die Tamilen, die sich aufgestellt hatten, um ihre gefallenen Helden mit Blumen zu ehren, waren noch relativ neu in London, nachdem sie der Not des kriegs-zerrütteten Sri Lanka entkommen waren. Das mindeste, was sie tun konnten, so dachten viele von ihnen, war die ökonomische Unterstützung des tamilischen Freiheitskampfes aus der Distanz und die Bezeugung von Respekt gegenüber den Freiheitskämpfern.
| Konflikt-/Gewaltursachen | Asyl/Flucht |
Idean Salehyan
Flüchtlinge und das Studium von Bürgerkrieg
Staatliche Repression, Aufstände und Bürgerkriege haben häufig verheerende Konsequenzen für Gesellschaften, die durch Gewalt geschädigt werden. Solche Phasen sozialer Umbrüche rufen häufig massive Bevölkerungsverschiebungen hervor, da die Individuen gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen und anderswo physische Sicherheit zu suchen. Massenhafte Bevölkerungsverschiebungen haben häufig dauerhafte Auswirkungen auf die Ökonomie, die öffentliche Gesundheitspflege und die sozialen Beziehungen - nicht nur bei den Flüchtlingen selbst, sondern auch in den Herkunfts- und Aufnahmegemeinschaften. Da sich etliche Konflikte zudem einer dauerhaften Lösung entziehen, ziehen sich viele dieser Flüchtlingskrisen über Jahrzehnte hin, in denen die Menschen ohne beständige Bleibe sind.1
| Asyl/Flucht | Konflikt-/Gewaltursachen |
Femke van Praagh & Kerstin Zimmer
Fremdenfeindlichkeit vor den Toren der EU
Lange Zeit galt die Ukraine als eine tolerante multi-ethnische Gesellschaft, als eine Art Musterstaat im sonst von interethnischer Gewalt geprägten postsowjetischen Raum. In den vergangenen beiden Jahren häufen sich jedoch alarmierende Berichte über antisemitisch und rassistisch motivierte Straftaten. Die meisten Opfer sind Roma und Juden, jedoch nehmen Gewalttaten gegenüber Studierenden, Flüchtlingen und Migranten aus Asien und Afrika zu.
| Asyl/Flucht | Europäische Union |
Historische Aspekte aktueller Konflikte
Annette Heppel
Die iranische Position im Atomkonflikt
Historische und ideologische Hintergründe
Hauptziel der internationalen Gemeinschaft ist es zu verhindern, dass die Islamische Republik Iran in den Besitz von Atomwaffen sowie der dafür erforderlichen Technologie kommt. Die iranische Führung hingegen besteht auf dem Recht des Landes zur zivilen Nutzung der Kernenergie gemäß dem Nichtverbreitungsvertrag. Der seit Jahren schwelende Konflikt hat sich seit dem Amtsantritt des iranischen Präsidenten Ahmadinedjad 2005 erneut zugespitzt und schien zeitweise unausweichlich auf eine Eskalation hin zu steuern. Um die Konfliktlage und das Verhalten der beteiligten Staaten zu verstehen, muss die Geschichte der Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen berücksichtigt werden.
| Iran | A-waffen |
Andréa Vermeer
Genozid endet nie
Gefangen im kollektiven Gedächtnis
Dieser Beitrag beschreibt den Genozid an den irakischen Kurden und die bis heute währenden Nachwirkungen auf kurdische Familien. Eine der ersten Voraussetzungen für eine nachhaltige Friedensarbeit im Irak ist das grundlegende Verständnis für komplexe Gesellschaftsstrukturen und die Beziehungen verschiedener Gruppen zueinander. Im Irak sind diese Beziehungen auch geprägt von der früheren Gewalt der Baathdiktatur. Von Versöhnung unter den Irakern kann noch lange keine Rede sein.
| Irak/Golfkriege | Menschenrechte |
Mihran Dabag
Kollektive Gewalt als Herausforderung
Überlegungen zur transdisziplinären Genozidforschung
Nicht alleine der Massenmord an den europäischen Juden, sondern auch zahlreiche andere Verbrechen des 20. Jahrhunderts haben die Diskussion um Genozide und die Notwendigkeit zur Erforschung genozidalen Handelns aufgeworfen.
| Menschenrechte | Konflikt-/Gewaltursachen |
Alternativen
Albert Fuchs
Aus Gottes Frieden für gerechten Frieden - Ja und?
Anmerkungen zur neuen Friedensdenkschrift der EKD
Gut ein Vierteljahrhundert nach ihrer ersten, ganz im Zeichen der West-Ost-Konfrontation stehenden Friedensdenkschrift von 1981 hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein neues friedensethisches Grundsatzpapier vorgelegt. Unser Autor arbeitet zahlreiche Schwachstellen der i.e.S. politischen Teile dieser »Denkschrift« heraus und kommt zum Ergebnis, sie erschließe keinen »Mehrwert« der christlichen Perspektive für die friedenspolitische Debatte. Ein Verdienst könne gleichwohl darin bestehen, dass endlich die seit der Epochen-Wende überfällige breite öffentliche Debatte um eine konstruktive Friedens- und Sicherheitspolitik angestoßen werde.
| Religion/Kultur | Ethik/Philosophie |
Andreas Buro
Unsere Welt ohne Atomwaffen
- Eine reale Utopie?
Nach dem Abwurf der ersten beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki durch US-Flugzeuge und dem Bekanntwerden der verheerenden Auswirkungen dieser damals völlig neuartigen Bomben wurden Nuklearwaffen im Bewusstsein vieler Menschen in vielen Gesellschaften zum Symbol der menschlichen Fähigkeit, die Welt zerstören zu können. Bald zog die Sowjetunion mit Atomwaffen nach. Es entstanden so nach der zunehmenden Verfeindung zwischen West und Ost die Voraussetzungen für das System der gegenseitigen Abschreckung. Es bekam die doppeldeutige Abkürzung MAD für »mutually assured destruction«. Es wurde immer weiter und weiter zu unvorstellbaren »overkill capacities« ausgebaut, nachdem Interkontinentalraketen entwickelt waren. Sie ermöglichten eine direkte Bedrohung von einem Lager zum jeweils anderen.
| A-Waffen-freie Zonen/NVV |
Berichte
Andrea Warnecke & Peter J. Croll
The Security-Migration Nexus
Challenges and Opportunities of African Migration to EU Countries
Über 150 nationale und internationale Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft folgten der Einladung des BICC (Bonn International Center for Conversion), vom 22. bis 23. Februar 2008 in Bonn auf einer internationalen Konferenz Herausforderungen und Chancen der afrikanischen Migration nach Europa zu diskutieren. Die zweitägige Veranstaltung mit dem Titel »The Security - Migration Nexus. Challenges and Opportunities of African Migration to EU Countries« im Haus der Deutschen Welle wurde unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
| Asyl/Flucht |
Redaktion
Göttinger Friedenspreis an Egon Bahr verliehen
Stiftung Dr. Roland Röhl richtet Festakt aus
Im Rahmen eines Festaktes wurde der diesjährige Göttinger Friedenspreis an Professor Egon Bahr verliehen. Die Stiftung Dr. Roland Röhl würdigte damit das herausragende politische Lebenswerk des 85jährigen und seinen großen Einsatz für nachhaltigen Frieden. In der Urkunde heißt es u.a.: „Der Preisträger hat unter den ideologischen und machtpolitischen Bedingungen des Ost-West-Konfliktes weitsichtige Konzeptionen und Strategien zu dessen Überwindung entwickelt und in Ost und West durchsetzungsfähig gemacht. Als Chef des Planungsstabes im Auswärtigen Amt (von 1966 bis 1969) und als Staatssekretär im Bundeskanzleramt seit Beginn der sozialliberalen Koalition war er der engste und einflussreichste Berater Willy Brandts in Fragen der Ost-West-Politik. Egon Bahr war es, der die Neue Ostpolitik des Außenministers und späteren Bundeskanzlers Willy Brandt strategisch konzipierte, operativ durchdachte und gegen massive Widerstände konsequent umsetzte. Sein unermüdliches friedenspolitisches Engagement hat maßgeblich zur Ost-West-Entspannung und zur friedlichen Beendigung des Kalten Krieges beigetragen.″
| Friedensbewegung |