Editorial
Regina Hagen
Die Uhr tickt...
Die Doomsday Clock der renommierten Fachzeitschrift »Bulletin of the Atomic Scientists« wurde im Juni 1947 erfunden, um eingängig zu illustrieren, wie nahe sich die Menschheit mit der Entwicklung von Kernwaffen bereits an die katastrophale Zerstörung ihrer Lebenswelt heranmanövriert hatte. Die Zeiger der Uhr standen knapp zwei Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki bei 7 vor 12. Für den Herausgeberkreis - Wissenschaftler aus dem Manhattan-Projekt, das zur Entwicklung der US-Kernwaffen führte -, war die Weltuntergangsuhr ein Symbol für die „anhaltende Gefahr, in der die Menschheit im nuklearen Zeitalter lebt und solange leben wird, bis die Gesellschaft ihre grundlegenden Einstellungen und Institutionen korrigiert″. Zu der Zeit verfügten die Vereinigten Staaten, damals einzige Nuklearmacht der Erde, kaum über dreißig der neuen Bomben; der erste Nukleartest der Sowjetunion sollte erst zwei Jahre später folgen.
| A-waffen |
Gastkommentar
Jakob von Uexküll
Globale Herausforderungen
Die globalen Herausforderungen entstehen heute vor allem durch das Durchbrechen von Grenzen - „das Ende des Anderen″ (Ulrich Beck). Die Folgen unserer Entscheidungen und Nicht-Entscheidungen sind zum ersten Mal in der Geschichte global: sogar geologische Zeiträume sind dadurch moralisch relevant geworden. Wie gehen wir mit dieser einmaligen Verantwortung um, ohne von ihr erdrückt zu werden? Können wir sie irgendwie managen?
| Ökologie |
Presseschau
Jürgen Nieth
Salami-Taktik
„Kaum Bedenken gegen Kampfeinsatz″, lautete am 18.01.08 die Überschrift in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ). Bei anderen heißt es: „Kampftrupp für Afghanistan″ (tageszeitung, 17.01.08), „Kämpfen heißt der Auftrag″ (Der Tagesspiegel, 17.01.08), „Deutsche an die Front″ (Frankfurter Rundschau 17.01.08), „Bundeswehr plant Eingreiftruppe für Afghanistan (Süddeutsche Zeitung, 17.01.08) „Auf dem Weg in den Kampfeinsatz″ (Berliner Zeitung, 18.01.08).
| Afghanistan | Bundeswehr |
Rüstungsdynamik und Renuklearisierung
Wolfgang Liebert
Einführung
Die Wiederkehr der Rüstungsdynamik und die Renuklearisierung der Welt
Der Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS) besteht seit mehr als zehn Jahren und versteht sich als Fachgesellschaft der naturwissenschaftlich orientierten Friedensforschung, die sich aufgrund eines neuen Schubs des wissenschaftlichen und politischen Engagements bereits seit zwei Jahrzehnten im Aufbau befindet. In der Regel verfolgen wir einen problemorientierten Ansatz. Naturwissenschaftliche und technische Bedingungsfaktoren von politisch brisanten Problemlagen stehen dabei im Fokus. Naturwissenschaftliche Detailarbeit, die sich immer wieder daraus ableitet, bleibt so rückgekoppelt an den außerwissenschaftlichen Ausgangspunkt und das Ziel, zu Problemlösungen in unserer wissenschaftlich-technisch durchwirkten Lebenswelt beizutragen. Damit ist auch eine eindeutige Anwendungsorientierung unserer Arbeit benannt: Politik und die interessierte Öffentlichkeit sollen von unabhängiger Seite (die meisten unserer aktiven Mitglieder arbeiten in Hochschulen oder auch in Instituten der Friedensforschung) nicht nur informiert sowie mit Analysen über Problemzusammenhänge versorgt werden, sondern es sollen auch Handlungsmöglichkeiten empfohlen werden.
| A-waffen | Rüstung/R.-industrie |
Giorgio Franceschini
Kernwaffen runderneuert:
Effektiver, treffgenauer, einsatzfähiger
Bis vor etwa einem Jahrzehnt herrschte noch Aufbruchstimmung in der nuklearen Rüstungskontrolle. Viele hatten gehofft, dass mit dem Ende des Kalten Krieges auch jene Waffen verschwinden würden, mit denen sich die Supermächte ein halbes Jahrhundert lang der Fähigkeit zur »Mutual Assured Destruction« (MAD, gegenseitig gesicherte Zerstörung) versichert hatten, sollte es je zu einem nuklearen Schlagabtausch kommen.
| A-waffen | Rüstungsforsch./-technik |
Matthias Englert & Christoph Pistner
Der Stoff für die Bomben
Zugriffs- und Beseitigungswege
Der Zugang zu Kernwaffen ist aufgrund einer hohen technologischen Hürde nur mit entsprechendem Aufwand möglich. Die Haupthürde ist heute - mehr als sechs Jahrzehnte nach der Konstruktion erster Atomwaffen - vor allem der Zugriff auf ausreichende Mengen an kernwaffenrelevanten Nuklearmaterialien und weit weniger die Konstruktion eines Kernsprengkörpers. Die Beschaffung des Spaltstoffes ist das entscheidende Nadelöhr, das staatliche und substaatliche Akteure überwinden müssen, bevor sie einen Kernsprengkörper bauen können.
| A-waffen |
Ole Roß & Heiner Daerr & Martin B. Kalinowski & Markus Kohler & Enno Peters
Hoffnung auf verbesserte Verifikation
Spaltmaterialproduktion und Teststopp
Die Wirksamkeit internationaler Verträge zur Kontrolle von Nuklearwaffen, deren Technologie oder nuklearwaffenfähigem Material steht und fällt mit der Wirksamkeit der Verifikation. Angeblich unzureichende Verifikationsmethoden waren immer wieder ein Argument der Gegner des Umfassenden Teststoppvertrages und anderer Verträge. Aktuell halten Vertreter der USA die Verifikation eines Abkommens für ein Verbot der Produktion von waffenfähigem spaltbarem Material für unmöglich und lehnen es daher ab. Die Verbesserung bestehender und die Entwicklung neuer naturwissenschaftlicher Methoden zur Überprüfung von nuklearen Rüstungskontrollverträgen ist eine zentrale Aufgabe, denn verlässliche technische Überwachungsmittel fördern das Vertrauen unter den Vertragspartnern und damit die Bereitschaft zur nuklearen Abrüstung.
| A-waffen | Rüstungskontrolle |
Wolfgang Liebert & Martin B. Kalinowski
Das iranische Exempel
Die Zukunft nuklearer Nichtverbreitung
Der Streit um das iranische Nuklearprogramm eskalierte über mehrere Jahre und führte dazu, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bis Ende 2007 bereits drei Resolutionen dazu verabschiedete (Nr. 1696, 1737 und 1747). Da diese Auseinandersetzung exemplarisch für die Krise der nuklearen Nichtverbreitung steht, soll in diesem Artikel zunächst auf die wichtigsten Streitpunkte eingegangen werden. Anschließend wird beschrieben, dass der Kern des Problems, nicht nur im Iran, in der Urananreicherung mittels Gasultrazentrifugen besteht.
| A-waffen | Iran |
Wolfgang Liebert
Die Renaissance der Nuklearenergie
Rettung in der Not oder Tod der Nichtverbreitung?
Mit den Atomwaffenprogrammen der 1940er Jahre nahm die Entwicklung nuklearer Technologien ihren ersten Aufschwung. Verfahren, die zunächst für die Produktion von Spaltstoff für die Waffe entwickelt wurden, insbesondere auch Urananreicherung und Plutoniumabtrennung, fanden später Anwendungen in kommerziellen Nuklearprogrammen.
| A-waffen | A-Waffen-freie Zonen/NVV |
Ulrike Kronfeld-Goharani
Chemische Waffen in Terroristenhand?
Seit Beginn der 1990er Jahre ist weltweit eine Zunahme immer gewalttätigerer Terroranschläge mit wachsenden Opferzahlen zu beobachten. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren dabei der Höhepunkt einer Entwicklung, die die bekannten Formen des nationalistisch-separatistischen Terrorismus (IRA, PLO, ETA, PKK) oder den auf die Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen gerichteten (RAF, Rote Brigaden) der 1970er und 1980er Jahre weit hinter sich ließ. Nie zuvor hatte ein Terroranschlag solch hohe Opferzahlen gefordert oder vergleichbare wirtschaftliche Schäden angerichtet. Erstmals in der Geschichte stufte der UN-Weltsicherheitsrat die Anschläge von New York und Washington als „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Ordnung″ ein. Der »neue« Terrorismus zeichnet sich durch einen zunehmend globalen und transnationalen Charakter aus mit weltweit verbreiteten und untereinander vernetzten Terrorgruppen. Terrornetzwerke vom Typ der religiös-fundamentalistisch geprägten Al-Qaida sind heute in der Lage, komplexe Operationen zu planen und auch simultan durchzuführen.1 Aber wie groß ist die Gefahr, dass sie auch Massenvernichtungswaffen einsetzen? Während Sicherheitsexperten heute kaum mehr daran zweifeln, dass Terroristen unkonventionelle Waffen einsetzen würden, wenn sie darüber verfügten, gehen die Meinungen über die Einschätzung, wie leicht es für Terroristen ist, derartige Waffen herzustellen oder sich zu beschaffen, weit auseinander.
| Chemiewaffen | Terrorismus |
Iris Hunger
Biowaffen auf dem Vormarsch?
Die Folgen von Verifikationsmangel und biotechnologischer Revolution
Biowaffen sind durch das »Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen« (BWÜ) seit mehr als 30 Jahren völkerrechtlich gebannt. Die internationale Verbotsnorm ist aber seit längerem unter Druck geraten. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die beiden wichtigsten werden im Folgenden erläutert. Gelingt es nicht, den Druck auf das BWÜ in den nächsten Jahren zu verringern, dann droht eine Renaissance der Idee, biologische Prozesse mit feindseliger Absicht zu manipulieren.
| Bio-Waffen |
Ulrike Kronfeld-Goharani
A-Waffen und der Terrorismus
Bruce Hoffman, Leiter der Abteilung für Terrorismusforschung der amerikanischen RAND-Corporation, sagte Ende der 1990er Jahre voraus, dass der politische, ideologische oder religiöse Konflikt zunehmend durch Terroraktionen ausgetragen werde. Er befürchtete schon damals, dass Terrornetzwerke fortschreiten würden, sich neue und unkonventionelle Waffen zu beschaffen.1 Inzwischen gibt es einige Attentate, bei denen Terrororganisationen - in Einzelfällen auch erfolgreich - chemische und biologische Waffen eingesetzt haben.
| A-waffen | Terrorismus |
Götz Neuneck & Jürgen Altmann
US-Raketenabwehr
Ein Danaer-Geschenk für Europa und die Welt?
Die US-Administration unter Präsident George W. Bush hält unverändert an ihrer Vision einer umfassenden, mehrschichtigen und integrierten Raketenabwehr fest. Dieses Projekt, dass bereits unter Präsident Clinton unter dem Stichwort »National Missile Defense« begonnen wurde, soll auch auf Europa ausgedehnt werden, obwohl die operative Einsatzreife der in der Testphase befindlichen Technologie weder bewiesen noch gesichert ist.
| Raketen /-abwehr |
Jürgen Altmann
Das Beispiel der Nanotechnik
Neue Militärtechnik und internationale Sicherheit
Neue Militärtechnik hat schon immer die internationale Entwicklung beeinflusst. So brachte die Atombombe eine grundlegende Umwälzung. Heute wird von der Revolution in militärischen Angelegenheiten gesprochen, v.a. durch Computer und Vernetzung. Viele sehen die nächste technologische Revolution in der Nanotechnik. Welche Auswirkungen wird sie auf die internationale Lage, vor allem die Frage von Krieg oder Frieden haben?1
| Rüstungsforsch./-technik |
Militarisierung
Global Policy Forum
Krieg und Besatzung im Irak
Im Juni 2007 veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation »Global Policy Forum« einen umfangreichen und hervorragend recherchierten Bericht über die Situation verschiedener gesellschaftlicher Sektoren im Irak während des Krieg und unter der Besatzung. »Wissenschaft & Frieden« veröffentlicht die offizielle deutschsprachige Zusammenfassung des Berichts.
| Irak/Golfkriege |
Claudia Haydt
Paramilitärische EU-Außenpolitik
Die Europäische Union versteht sich als weltpolitischer Akteur der mit zivilen und militärischen Mitteln seine „Werte und Interessen″ (Vertrag von Lissabon, Artikel 2) durchsetzt. Die militärpolitischen Strategien und Programmen der EU werden meist flankiert von mehr oder weniger zivilen Maßnahmen. Aus der konsequenten Verknüpfung von zivilen und militärischen Mitteln versprechen sich die maßgeblichen Akteure im Rahmen der EU sowohl eine effektivere Umsetzung ihrer machtpolitischen Ziele als auch eine größere Akzeptanz für ihre Politik - sowohl im Inneren als auch in den jeweiligen Einsatzgebieten.
| Europäische Union |
Abrüstung
Jürgen Scheffran
Transformation in die atomwaffenfreie Welt
Die Nuklearwaffenkonvention
Im Jahr 1997 veröffentlichten Nicht-Regierungs-Organisationen den Modellentwurf für eine Nuklearwaffenkonvention (NWK), der 2007 überarbeitet und aktualisiert wurde. Darin werden völkerrechtliche Schritte vorgeschlagen, um Atomwaffen vollständig zu verbieten und abzuschaffen. Ein solches Konzept wird von der Mehrheit aller Staaten grundsätzlich unterstützt.
| A-Waffen-freie Zonen/NVV |
Alternativen
Wolfgang Sternstein
Gandhi und der Westen
Eine Geschichte von Missverständnissen
Vor sechzig Jahren, am 30. Januar 1948, wurde Gandhi von einem Hindu-Fanatiker erschossen. Die geradezu religiöse Verehrung, die er bei einem Teil seiner Landsleute, und das hohe Ansehen, das er in vielen Teilen der Welt genießt, können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass er im eigenen Land wie auch im Westen nur selten verstanden wurde und noch seltener Nachfolger fand. Von den zahlreichen Missverständnissen, denen Gandhis Lehre und die Botschaft seines Lebens ausgesetzt waren, sollen nur die sieben wichtigsten angesprochen werden.
| Pazifismus | Ziviler Widerstand |
Wolfgang Neef
Zur künftigen Politik der Naturwissenschaft- lerInnen-Initiative
Die folgenden Ausführungen wurden von Wolfgang Neef im Rahmen der Beiratssitzung der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative im März 2007 zur Diskussion gestellt.
| Verantw. der Wiss. |
Redaktion
Mutlanger Manifest
8. Dezember 2007
Im Bewusstsein des Leidens und Sterbens, dass durch die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki sowie durch Tausende von Atomtests verursacht wurde; erfreut über die Abrüstungsschritte und das Ende des Kalten Krieges, die vor 20 Jahren durch den INF-Vertrag zwischen den USA und der UdSSR möglich wurden; unter Kenntnisnahme
| A-waffen | A-Waffen-freie Zonen/NVV |
Redaktion
Internationaler Appell
»Setzt den angepassten KSE-Vertrag in Kraft«
Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) ist ein Eckpfeiler der europäischen Sicherheit und das Kernelement des kooperativen Sicherheitsansatzes, wie er in der Charta von Paris im November 1990 beschlossen wurde. Doch jetzt ist das ganze Regime aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den NATO-Staaten und Russland in ernster Gefahr. Die Vertragsstaaten bemühen sich gegenwärtig einen Kompromiss zu finden, der dieses entscheidende Dokument retten kann.
| Rüstungskontrolle |
Konferenzberichte
Jonas Wolff & Harald Müller & Anna Geis
Im Schatten des Demokratischen Friedens
Am 19. und 20. Oktober 2007 stellte die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) auf ihrer Jahreskonferenz »Schattenseiten des Demokratischen Friedens« Ergebnisse aus der laufenden Forschung vor. Die in der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität mit rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutierten Projektberichte sind Teil eines Zwischenresümees des bis Ende 2008 terminierten HSFK-Forschungsprogramms »Antinomien des Demokratischen Friedens«, das als Sammelband im November 2007 erschienen ist.1
| Friedenswiss./-forschung |
Sabine Korstian
Jerusalem
Eindrücke und wirre Geschichten rund um eine Konferenz in der heiligen wie umstrittenen Stadt
„Jetzt sehen wir also das wahre Leben hier?″ flüstert mir Linda aus den USA zu, die wie ich Referentin auf der Konferenz des INSAN Center für Frauen- und Geschlechterforschung der Al-Quds (arab. für Jerusalem) Universität1 am 5. November 2007 war. Eine Zivilstreife hat unseren Bus von Jerusalem nach Abu Dis, ein Ort bei Ostjerusalem, durch den die »separation barrier« wie überall um Jerusalem als Mauer verläuft und wo sich ein Campus der Universität befindet, angehalten und den Fahrer zu ihrem Fahrzeug mitgenommen. Ich muss sie enttäuschen, denn er ist einfach nur dabei erwischt worden, wie er beim Fahren telefoniert hat. Verärgert kommt er mit einem Strafzettel wieder. Ein langweiliges Verkehrsdelikt, nichts politisches. Ach so. Das „wahre Leben″ besteht eher darin, dass wir überhaupt in diesem Bus sitzen, der statt der zehn Minuten, die es früher waren, als es die Mauer noch nicht gab, eine dreiviertel Stunde bis Abu Dis braucht - vorausgesetzt es gibt keinen längeren Aufenthalt am Checkpoint.
| Israel/Palästina |