Editorial
Alexander S. Neu
Menschenrechte kontra Völkerrecht?
„Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt und das Gesetz, das befreit.″ (Jean Jacques Rousseau; Du Contrat Social)
| Menschenrechte | Völkerrecht |
Gastkommentar
Götz Neuneck
Beginn eines Wettrüstens im All?
Der chinesische ASAT-Test
Am 11. Januar 2007 hat China, das jahrelang Gegner der Bewaffnung des Weltraums war, einen Anti-Satelliten (ASAT)-Test durchgeführt: Es zerstörte einen eigenen Wettersatelliten in einer Höhe von ca. 865km mittels einer Mittelstreckenrakete. Neben den USA und Russland bewies nun auch China die Fähigkeit, Satelliten über dem eigenen Territorium »abzuschießen«. Damit unterstreicht es seine Ambitionen auf dem Gebiet der militärischen Raumfahrt, es beschwört aber auch die Gefahr eines Rüstungswettlaufs im All herauf. Denn sollten sich in Washington die Hardliner durchsetzen, könnten Programme zum Schutz eigener Satelliten und damit die Weltraumbewaffnung forciert werden. Weitere Staaten könnten in eine ressourcenverschlingende Konkurrenz einsteigen.
| A-waffen | Weltraumforsch./-militaris. | China |
Kommentierte Presseschau
Jürgen Nieth
Tornados nach Afghanistan
Die deutsche Luftwaffe wird sechs Tornados in Afghanistan einsetzen. Die Piloten sollen dort vor allem mit Aufklärungsflügen die Nato-Truppen unterstützen. So hat es der Bundestag am 09.03.07 beschlossen. Doch noch nie waren die Gegenstimmen zu einen Auslandseinsatz der Bundeswehr so zahlreich, wie diesmal: 157 Abgeordnete stimmten gegen den Einsatz, 11 enthielten sich und »nur« 405 Parlamentarier votierten dafür.
| Afghanistan | Bundeswehr |
Menschenrechte kontra Völkerrecht?
Norman Paech
Das Völkerrecht und die Instrumentalisierung der Menschenrechte
Schon ein flüchtiger Blick auf die gut sechzigjährige Geschichte der UNO zeigt, dass – trotz aller Niederlagen und Defizite dieser Organisation und ihrer Charta – in dieser Zeit das Völkerrecht einen nie zuvor in der Geschichte erlebten schnellen Wandel und eine unvergleichlich progressive Kodifizierung erfahren hat. Seit dem Ende des West-Ost-Konfliktes stehen aber traditionelle Pfeiler des Völkerrechts, wie die staatliche Souveränität, in der Diskussion. Der Autor geht der Frage nach, ob es sich hier um eine beabsichtigte konstruktive Weiterentwicklung des Völkerrechts handelt oder um eine Instrumentalisierung der Menschenrechte aus geostrategischen und machtpolitischen Interessen.
| Menschenrechte | Völkerrecht |
Hans-Joachim Heintze
Staatszentriertes Völkerrecht und nicht-staatliche Gewaltakteure
Angesichts der immer wieder geäußerten Befürchtung, dass nichtstaatliche Terroristen-Netzwerke Anschläge mit Massenvernichtungswaffen durchführen könnten, stellt sich die Frage, ob die bestehenden Regeln des Völkerrechts für den Antiterrorkampf ausreichen oder ob die neuen Bedrohungen durch nicht-staatliche Akteure auch neue Auslegungen des Rechts erfordern? Die Antworten darauf sind sehr unterschiedlich. Der Autor analysiert im folgenden ob und wieweit die reale Politik der USA mit der Beschlusslage der UN übereinstimmt.
| Völkerrecht | Terrorismus |
Gerhard Stuby
Kurze Geschichte des Völkerrechts
Recht soll Verhältnisse zwischen bestimmten Subjekten regeln, innerstaatliches Recht die Beziehungen der Individuen untereinander und zum Staat, Völkerrecht das Verhalten der Staaten untereinander. Ohne Staat kommt dieser Begriff von Recht im Allgemeinen und Völkerrecht im Besonderen nicht aus. Eine derartige Definition wird als zu eng kritisiert. So sei Recht als Grundbedingung menschlicher Existenz, dem Staat vorausgehend, zu begreifen, Völkerrecht dürfe nicht auf Beziehungen zwischen Staaten reduziert werden. Nichtstaatliche Organisationen oder Individuen seien einzubeziehen. Ob völkerrechtliche Einzelerscheinungen schon in Urgesellschaften vorzufinden oder erst beim Aufeinandertreffen von Großimperien (im Vorderen Orient) anzunehmen sind, hängt von der Definition, eng oder weit, ab. Hinzukommt, dass man für die Einordnung dieser frühen Phänomene in unsere moderne Gedankenwelt auf die »stummen« Zeugnisse archäologischer Funde angewiesen ist. Günstiger steht es, wenn die Beziehungen der griechischen Stadtstaaten (Polis) untereinander und zu den außen stehenden Reichen (Persien oder Karthago) zu beurteilen sind (etwa 600 bis 338 v. Chr.). Sie liegen uns zeitlich näher. »Historiker« (Thukydides u.a.) berichten für uns lesbar über diese Ereignisse. »Philosophen« (Platon, u.a.) bezeugen sie reflektierend. Einige Institute (Schiedsgerichtsbarkeit) muten modern an. Derartige Schlüsse könnten von rückwärtiger Sicht geprägt sein; ebenfalls die übliche Kategorisierung der folgenden römisch – hellenischen Periode (bis 500 n. Ch.) als aus völkerrechtlicher Sicht wenig ergiebig. Die Anfangszeit unterscheidet sich wenig von der griechischen Periode. Erst nach der Vernichtung Karthagos (146 v. Ch.) bilden sich imperiale Züge des bislang locker strukturierten Gesamtverbandes heraus. Die Regelung der Stellung der cives Romani zur politischen Gewalt wäre als »Staatsrecht«, die der cives untereinander als »Zivilrecht« zu betrachten; ius gentium trotz des Namens nicht als Völkerrecht, sondern als »innerstaatliches« Ausländerrecht. Die Außenbeziehungen zu den Barbaren (Germanen z. B.) waren weitgehend auf Krieg reduziert. Hierfür genügten die überkommenen hellenistischen Instrumente. Völkerrechtlich in der Tat nicht viel Neues, abgesehen von den Reflexionen eines Augustinus über den gerechten Krieg.
| Völkerrecht |
Olaf Miemiec
Fünf Jahre Internationaler Strafgerichtshof
Die Geschichte des Ringens um die Verankerung von Menschenrechten ist lang. Eine »kurze Geschichte« ist da vor allem eine gekürzte Geschichte. Ausblenden muss ich vor allem den höchst interessanten Transformationsprozess der christlichen Doktrin von der Gleichheit aller Christen vor Gott zur menschenrechtlichen Gleichheit. Für das westeuropäische Verständnis der Menschenrechte sind zwei historische Ereignisse zentral: die Reformation und die Aufklärung.
| Rechtsfragen | Völkerrecht |
Gerhard Stuby
Macht Macht Völkerrecht?
Die Änderung des Völkerrechts durch die mächtigen Staaten
Es sind die Schwachen in unserer Gesellschaft, die die meisten Hoffnungen ins Recht setzen. Sie sind am meisten enttäuscht, wenn sie unterliegen. Vor Gericht und auf Hoher See ist man in Gottes Hand, kommentiert der zynische Realist. Das herrschende Recht ist eben das Recht der Herrschenden, sagt derjenige, der Durchblick beansprucht. Nicht anders beim Völkerrecht. Die Schwachen in der asymmetrischen Staatenwelt verweisen auf Art. 2 Ziff. 1 der Charta der UN. Von „souveräner Gleichheit aller ihrer Mitglieder″ ist dort die Rede. Wenn ihr uns ebenbürtig wäret, meinten die Athener den Meliern gegenüber, könnten wir über manches sprechen. So bieten wir euch Unterwerfung statt Vernichtung. Führt nicht das Gebaren der amerikanischen Supermacht oder der fünf offiziellen Atommächte, die von den anderen fordern, atomwaffenlos zu sein, zum einzig logischen Schluss: Auch heute bestimmen die Großen die Melodie? Souveräne Gleichheit, ein frommer Wunsch?
| Völkerrecht | Weltordnung |
Lars Büngener
Fünf Jahre Internationaler Strafgerichtshof
Eine Zwischenbilanz
In ihrer Entscheidung vom 29.01.2007 bestätigte die erste Vorverfahrenskammerdes Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) die Anklagegegen den ehemaligen kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo wegen der Rekrutierung und des Kampfeinsatzes von »Kindersoldaten«. Erstmals in der Weltgeschichte wird ein permanentes internationales Strafgericht über Völkerrechtsverbrechen verhandeln – der vorläufige Höhepunkt in der Geschichte der Durchsetzung des Völkerstrafrechts. Dieser Artikel legt zunächst die Entstehungsgeschichte des IStGH dar und erläutert anschließend einige strittige Fragen bezüglich der Funktionen und Zuständigkeiten dieser jungen internationalen Organisation. Abschließend erörtert der Autor die Frage, wie das bisher Erreichte zu beurteilen ist.
| Völkerrecht | Rechtsfragen |
Martin Kutscha
Konfliktverhütung durch Krieg?
Verfassungsfragen an das neue Bundeswehr-Weißbuch
Anders als der Entwurf vom April d.v.J. fand das im Oktober von der Bundesregierung vorgelegte »Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr«1 in der breiteren Medienöffentlichkeit nur mäßige Aufmerksamkeit. Die eine oder andere Entschärfung des Entwurfs im Zuge der Ressortabstimmung hatte jedoch vor allem kosmetischen Charakter; an der »ganzen Richtung« hat sich nichts geändert. Die bleibt nicht zuletzt mit gravierenden verfassungsrechtlichen Problemen behaftet.
| Bundeswehr | Rechtsfragen |
Susanne Baumann
Das absolute Folterverbot
Grundlage für Sicherheit und Freiheit
„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden″, lautet Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Und es gibt eine Reihe weiterer internationaler Übereinkommen, die vor Folter und Misshandlung schützen1. Das Folterverbot gilt dabei als eines der wenigen Rechte absolut und ohne Vorbehalt. Selbst in Kriegs- und Krisensituationen gibt es davon keine Ausnahme. Wie aber ist es tatsächlich um Folter und Misshandlung in der Welt bestellt? Zeigt die Vielzahl der rechtlichen Schutzinstrumente Wirkung? Haben sich die Fälle, in denen Menschen Opfer von Folter werden, verringert? Die Antwort fällt bedauerlicherweise negativ aus.
| Folter | Menschenrechte |
Gert Sommer & Dr. Jost Stellmacher
Menschenrechtsbildung – eine gesellschaftspolitische Aufgabe
Menschenrechte sind zu einem zentralen Thema nationaler und internationaler Politik geworden. Menschenrechtsbildung ist daher eine bedeutsame Aufgabe. Dies ist nicht erst seit der Veröffentlichung jüngerer Studien deutlich, die erhebliche Defizite in der Menschenrechtsbildung in Deutschland aufgezeigt haben (u.a. Druba, 2006; Lohrenscheit & Rosemann, 2003; Mihr, 2005; Sommer u.a., 2005). Was bedeutet aber Menschenrechtsbildung? Der vorliegende Artikel gibt einen kurzen Überblick darüber, welchen Stellenwert Menschenrechtsbildung nach nationalen und internationalen Erklärungen haben sollte, welche Ziele sie verfolgt und wie gut sie bislang umgesetzt wurde. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf Deutschland liegen.
| Menschenrechte | Friedenspädagogik |
Militär und Gesellschaft
Detlef Hartmann
Die militärisch-ökonomische Barbarisierung
Seit der Epochenwende befindet sich die Bundeswehr in »Transformation«, sozusagen im Zeitraffertempo, von einer Verteidigungsarmee, wie sie das Grundgesetz vorsieht, zu einer Interventionsarmee. Diese Umwandlung wurde schon vielfach beschrieben und analysiert. Kaum diskutiert wird bisher, dass sich nach kaum anderthalb Jahrzehnten seit dem Fall der Berliner Mauer als Zielgestalt des Transformationsprozesses erneut die Zurichtung der deutschen Streitkräfte für einen »totalen Krieg« abzeichnet und »von weit oben« propagiert wird – freilich in postmoderner Gestalt: Als umfassende Ökonomisierung des Militärischen und als Militarisierung des Ökonomischen.
| Militär und Gesellsch. | Bundeswehr |
Markus Mohr
Sondermentalität mit Tradition
Die Gebirgsjäger in der Bundeswehr
Deutsche Soldaten, die in Afghanistan mit Totenschädeln und Menschenknochen vor der Kamera possieren. Bilder, die Ende Oktober 2006 durch die deutsche Presse gingen und die Öffentlichkeit erregten. Es handelte sich um Soldaten einer Gebirgsjägereinheit, einer Einheit mit Tradition. Auf diese sehr spezielle Traditionslinie machten allerdings nur wenige Medien aufmerksam. Der Bonner General-Anzeiger war am 27.10.2006 eher die Ausnahme: „Für den Einsatz am Boden in den unwegsamen Bergregionen am Hindukusch sind sie besonders geeignet. Das sichert den Gebirgsjägern eine Sonderstellung, geht häufig aber auch mit einer Sondermentalität einher: Die Totenkopf-Fotos, aufgenommen (…) in der Umgebung von Kabul, liefern den unrühmlichen Beweis dafür.″ Markus Mohr über den politischen Hintergrund, vor dem diese »Sondermentalität« entstehen konnte.
| Bundeswehr | Rechtsextr./Rassismus |
Gabriele Rasch
Anspruch und Realität
Die EU auf dem Weg zur Militärmacht?
Mit der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS), vorgestellt im Dezember 2003, hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, „Verantwortung für die globale Sicherheit und für eine bessere Welt mit zu tragen.″ Nicht einmal vier Jahre später stehen europäische Truppen unter anderem im Sudan, im Kongo und im Libanon. Die Europäische Union demonstriert verstärkt außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit. Dass diese »neue« Handlungsfähigkeit vor allem auf einer Aufstockung militärischer Mittel beruht, bleibt dabei häufig unbeachtet. Unerwartet ist diese Entwicklung nicht. Der Vorrang des Militärischen in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ist das fragliche Resultat der EU-Politik der letzten Jahre.
| Europäische Union | Militär und Gesellsch. |
Verantwortung der Wissenschaft
Guillermo Foladori
Der Einfluss des US-Militärs
Nanotechnologieforschung in Lateinamerika:
Die Nanotechnologie stellt die weitreichendste technologische Revolution unserer Zeit dar. Die Firma Lux Research, die 2006 die Kommerzialisierung in der Nanotechnologie untersucht hat, schätzt, dass im Jahr 2005 9,6 Mrd. US$ in Forschung und Entwicklung der Nanotechnologie investiert wurden. Auch wenn ein gewisser Grad an Polemik über den potentiellen Nutzen und die Nutznießer der Nanotechnologie vorherrscht, so lässt sich bei genauerer Betrachtung der potenziellen Nanotechnologieprodukte, isoliert von ihren spezifischen sozialen Kontexten, feststellen, dass sie zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Mehrheit der Weltbevölkerung beitragen können. In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis auf die revolutionären Verfahren zur Entsalzung, Klärung und Gewinnung von Trinkwasser; zur Energiegewinnung durch Solarzellen; zur sicheren medizinischen Diagnose, dem Einsatz von Medikamenten, die gezielt nur betroffene Zellen und Organe ansteuern sowie die Verwendung von neuartigen Implantaten und Prothesen. Ihrer revolutionären Technologie entsprechend kommt der Nanotechnologie aber auch im Rüstungsbereich eine immer größere Bedeutung zu.
| Rüstung/R.-industrie | Dual use (+Kerneenergie) | Rüstungsforsch./-technik |
Korea
Rainer Werning
Wirtschaftskooperation auf Koreanisch
In Nordkoreas Gaeseong Industrial Complex wird ungeachtet heftiger Debatten über das Nuklearprogramm der Volksrepublik im Gleichschritt mit südkoreanischem Kapital marschiert.
| Korea (Nord und Süd) | Konfliktbearb./-prävention |
Berichte
Barbara Dietrich
Weg mit der Mauer in Palästina
Das Thema Europa und sein Verhältnis zum israelisch-palästinensischen Konflikt stand im Mittelpunkt einer Konferenz, zu der deutsche, palästinensische und jüdische Gruppen Ende letzten Jahres nach Berlin eingeladen hatten. Unter ihnen: Der Koordinationskreis »Stoppt die Mauer in Palästina«, die IPPNW, die deutsch-palästinensische Gesellschaft, die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden und die Palästinensische Gesellschaft Deutschlands. Barbara Dietrich fasst de wichtigsten Aussagen für W&F zusammen.
| Israel/Palästina | Konfliktbearb./-prävention |
Ulrich Wagner & Johannes M. Becker & Johannes Herrmann
»Reconciliation in Aceh«
Symposium des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg
Nach Jahrzehnten von Bürgerkrieg in der indonesischen Provinz Aceh zwischen der lokalen Freiheitsbewegung und der indonesischen Zentralregierung kam es 2005 in Helsinki durch internationale Vermittlung zu einem Waffenstillstands- und Friedensabkommen. Ein wesentlicher Grund für die Kompromissbereitschaft der Bürgerkriegsparteien waren auch die Auswirkungen des Tsunami im Dezember 2004, der in Aceh besonders viele Todesopfer forderte.
| Asien | Friedenswiss./-forschung |
Nachruf
Reiner Steinweg
Nachruf
auf Prof. Dr. Georg Zundel
Am 11. März 2007 starb im Alter von fast 76 Jahren der bedeutende Naturwissenschaftler
| Friedenswiss./-forschung |