Editorial
Jürgen Nieth
Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank? (nach B.B.)
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
| Privatisierte Gewalt |
Gastkommentar
Thomas Breuer
Ausstieg aus dem Ausstieg?
Politiker von CDU und CSU nutzen jede Gelegenheit, um an dem von der Rot-Grünen Bundesregierung beschlossenen Atomausstieg zu rütteln. Da scheint auch keine noch so widersinnige Konstruktion von Zusammenhängen die Debatte aufhalten zu können. Edmund Stoiber (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nutzte im letzten Jahr den Ölpreisanstieg, um für Atomkraft zu werben. Öl hat in Deutschland nichts mit Stromerzeugung zu tun. Darüber hinaus übersieht Herr Stoiber, dass der Uranpreis (U3O8 – Uranvorprodukt zur Brennstäbeherstellung) sich in den letzten fünf Jahren ebenfalls mehr als verfünffacht hat.
| Dual use (+Kerneenergie) |
Kommentierte Presseschau
Jürgen Nieth
Verdeckte Kriegsbeteiligung?
„Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg,″ sagte Bundeskanzler Schröder am Abend des US-Angriffs auf den Irak. Eine Position, die die Bundesregierung auch in den Monaten vor dem Krieg immer wieder betont hatte und die sicher nicht unwesentlich zu ihrem knappen Sieg bei der vorhergehenden Bundestagswahl beigetragen hatte. Schon damals gab es zahlreiche Hinweise auf eine Doppelbödigkeit dieser Politik. So hat W&F (2-2003) u.a. darauf hingewiesen, dass „über die Fluglätze Frankfurt, Ramstein und Spangdahlen… Kriegsmaterial und Soldaten an den Golf verlegt″ wurden; dass „deutsche Häfen und Bahnhöfe… Zwischenstation (waren) für die Reise in den Krieg;″ dass „die europäische Kommandozentrale der US-Armee in Stuttgart (den) Nachschub für die Kriegführung″ koordinierte; dass deutsche Soldaten den Schutz von US-Einrichtungen übernahmen und ihre Präsens in anderen Konfliktregionen verstärkt wurde, um US-Soldaten für den Irakkrieg freizustellen.
| Rechtsfragen | Irak/Golfkriege |
Privatisierte Gewalt
Herbert Wulf
Der deregulierte Krieg
Triebkräfte der Privatisierung:
Immer häufiger werden Kriege und gewaltsame Konflikte von nicht-staatlichen Akteuren ausgetragen. Warlords, organisiertes Verbrechen, Milizen, Rebellen, Jugendgangs und Kindersoldaten – auch wenn diese eher als Opfer einzustufen sind – sorgen für Unsicherheit und Staatszerfall. Viele Regierungen sind mit ihren Polizei- und Militärstreitkräften nicht mehr in der Lage, Ruhe und Ordnung zu sichern und Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Neben dieser Form der Privatisierung von Gewalt, die meist der Bereicherung der Akteure dient, gibt es eine zweite, von staatlicher Seite gezielt geplante Privatisierung von Polizei und Militär: Das »Outsourcen« polizeilicher und militärischer Funktionen an private Firmen.
| Privatisierte Gewalt | Neue Kriege |
Dario Azzellini
PMCs – Eine breite Angebotspalette
Wie Söldner zu Geschäftsleuten wurden
Bezahlte Erbringer von militärischen Dienstleistungen sind in der Kriegsgeschichte nicht unbekannt. Über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende ist der Einsatz von Söldnern überliefert und ihr Ruf ist nicht der beste. Daher versuchen private Militärdienstleister (PMCs) auch stets, sich durch ihre eigene Präsentation vom unsauberen Image der Söldner abzuheben. So ist auf fast allen Webseiten von PMCs und in ihren Broschüren und Erklärungen zu lesen, dass sie stets im Rahmen nationaler und internationaler Gesetze agieren, nur in den Dienst völkerrechtlich anerkannter Subjekte treten, die Achtung der Menschenrechte ein striktes Gebot im Rahmen ihrer Tätigkeiten darstellt und sie zudem für »Demokratie und Frieden« arbeiten. Der Lobbyverband, in dem sich zahlreiche PMCs zusammen geschlossen haben, nennt sich irreführender Weise sogar International Peace Operations Association (IPOA).
| Privatisierte Gewalt | USA |
Werner Ruf
Ein Investment-Fonds als außenpolitisches Instrument?
Carlyle:
Die Geschäftserfolge von Carlyle erscheinen geradezu märchenhaft. Doch nicht jeder Anleger erhält das Privileg, hier sein Kapital vermehren zu dürfen. Nach welchen Kriterien das Screening der Kunden durchgeführt wird, ist nicht transparent. Doch dürfte Carlyle noch mehr sein als nur ein erfolgreicher Investment-Fonds: Die Nähe des Managements zum politischen Establishment dürfte nicht nur die Geschäftserfolge erklären, sie könnte den Fonds auch zu einem Instrument der US-Außenpolitik machen. Auch mit seiner schon früh erfolgten Beteiligung an dem privaten militärischen Unternehmen Vinnell zeigte Carlyle nicht nur seine glückliche Hand als Investor in dieser boomenden Branche, die Firma begab sich damit auch in jene Grauzone, wo Politik, Geschäft und die Durchsetzung politischer Ziele mittels Gewalt in einander fließen.
| USA | Rüstung/R.-industrie | Privatisierte Gewalt |
Boris Kanzleiter
Privatisierte Gewalt im Jugoslawienkrieg
Paramilitarismus, private Militärunternehmen und Ethnisierung des Konfliktes
Seit dem Irakkrieg wird in der Öffentlichkeit der Anteil »privatisierter Gewalt« in staatlich geführten Kriegen stärker wahrgenommen. Doch so neu ist dieses Problem nicht. Boris Kanzleiter beschreibt in seinem Artikel über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien zwischen 1991 und 1999, welchen Einfluss hier mit einigem zeitlichen Abstand verschiedene Formen »privatisierter Gewalt« hatten, die heute auch in anderen aktuellen Konflikten auftreten.
| Privatisierte Gewalt | Balkan (-kriege) |
Marc von Boemcken
Unternehmen für den Krieg
Die Privatisierung von Gewalt und Sicherheit in Afrika
Im März 2004 stellten die Behörden am Flughafen von Harare eine aus Südafrika kommende Boeing 727 sicher und verhafteten 70 Männer. Diese Männer wollten in Simbabwe Waffen einkaufen, um dann nach Äquatorialguinea weiter zu fliegen und in dem kleinen, ölreichen Land einen Staatsstreich durchzuführen. Dieser bemerkenswerte Vorfall ist nur einer von vielen Hinweisen auf einen komplexen und sehr ausdifferenzierten Gewaltmarkt, der sich spätestens seit Ende des Kalten Krieges auf dem afrikanischen Kontinent etabliert hat. Der Autor beleuchtet zuerst das Feld profitorientierter Gewalt- und Sicherheitsakteure in Afrika. Danach erörtert er die wichtigsten Ursachen für die wachsende Bedeutung des Söldnertums sowie seine sich verändernden Erscheinungsformen seit Ende des Kalten Krieges. Schließlich unterzieht er die Rolle kommerzieller Gewaltanbieter bei der Verschärfung und Förderung gewaltsamer Konfliktdynamiken einer kritischen Bewertung. Insgesamt wird so der Bedarf nach effektiveren internationalen und nationalen Maßnahmen zur Einhegung afrikanischer Gewaltmärkte aufgezeigt.
| Privatisierte Gewalt | Neue Kriege | Afrika |
John Züchner
Spart Outsourcen Kosten?
Privatisierte Knäste in den USA
Die Aufgabe, Bürger, die gegen das Gesetz verstoßen zu verurteilen und dafür zu sorgen, dass sie ihre Strafe verbüßen, liegt traditionell in der Hand des Staates. Seit 1982 haben die USA nun aus wirtschaftlichen Gründen damit begonnen, Gefängnisse unter die Leitung privater Unternehmen zu stellen. Geht diese Rechnung wirklich auf?
| Privatisierte Gewalt | USA |
Volker Eick
Wa(h)re »Sicherheit«
Zum kommerziellen Sicherheitsgewerbe in der BRD
Das exorbitante Wachstum des privaten Sicherheitsgewerbes ist mit erheblichen Folgen für das bundesrepublikanische Sicherheitsgefüge verbunden. Der folgende Beitrag beschreibt zunächst Wachstum, Umsatz und Umfang des Gewerbes. Der zweite Abschnitt stellt die gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitsfelder privater Sicherheitsdienste dar und verweist auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für ihren Einsatz. Weiter konzentriert sich der Beitrag auf den Einsatz des Gewerbes im öffentlichen Raum und die damit verbundenen Ausgrenzungs- und Einschließungsprozesse. Schließlich ordnet der letzte Abschnitt Handlungslogik und -auftrag des privaten Sicherheitsgewerbes – und der staatlichen Sicherheitsagenturen – in den Kontext eines neoliberalen Stadt- und Staatsumbaus ein, der im Zuge globaler Standortkonkurrenz »Sicherheit« zum Schmiermittel dieser Restrukturierung macht. Wachstum und Bedeutungsgewinn des privaten Sicherheitsgewerbes sind aus dieser Perspektive Ausdruck, nicht Auswuchs einer Neoliberalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse insgesamt.
| Privatisierte Gewalt |
Michael Sikora
Söldnergeschichte(n)
Eine Geschichte der Söldner gibt es eigentlich nicht. Das Söldnerwesen ist keine definierbare Institution, das über die Jahrhunderte eine kontinuierliche Entwicklung durchlaufen hätte. Seit der Antike haben sich Söldner anscheinend jeder Form militärisch organisierter Gewalt angegliedert, mehr oder weniger zahlreich, in höchst unterschiedlicher Gestalt und ebenso unterschiedlichen Motiven folgend. Da sind beispielsweise die eigentlichen Handwerker der Gewalt, Spezialisten, die ihre besonderen Fähigkeiten im Umgang mit Waffen und Kriegführung als Dienstleistung zu Markte tragen. An die englischen Bogenschützen oder die genuesischen Armbrustschützen des späten Mittelalters wäre zu denken, oder an die Technokraten des Krieges, die das Personal der gegenwärtigen Söldnerfirmen bilden.
| Privatisierte Gewalt | Historische Friedensf. |
Stefanie van de Kerkhof
Werbung für Waffen
Marketingstrategien deutscher Rüstungsunternehmen
In den letzten Jahren werden verstärkt auch in den Industriestaaten Privatisierungstendenzen am Rande und in den staatlichen Machtapparaten, inklusive des Militärs, verzeichnet. Die Zuliefererindustrie für das Militär – Produktion und Forschung – war dagegen in den kapitalistischen Staaten schon früher weitgehend privatwirtschaftlich organisiert. Wie sich deutsche Rüstungsunternehmen am Markt behaupteten, wie sie ihre Marketingstrategien in den letzten hundertfünfzig Jahren dem »Zeitgeist« anpassten, untersucht die Autorin in folgendem Beitrag.
| Rüstung/R.-industrie | Militär und Gesellsch. |
Menschenrechte
Dr. Jost Stellmacher & Gert Sommer & Elmar Brähler
Menschenrechte – Paradoxien einer bahnbrechenden Idee
Die Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen – die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 sowie die inhaltlich sehr ähnlichen »Zwillingspakte« von 1966 (»Pakt über bürgerliche und politische Rechte« sowie »Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte«) – formulieren erstmals in der Menschheitsgeschichte die bahnbrechende Idee, dass unveräußerliche Rechte für alle Menschen auf der gesamten Welt gelten (sog. Universalität der MR). Die AEMR enthält 30 Artikel mit etwa 100 einzelnen Rechten wie z.B. Recht auf Leben, Verbot von Diskriminierung, Folterverbot, Asylrecht, Rechtssicherheit, Meinungs- und Informationsfreiheit, Recht auf Arbeit, Schutz vor Arbeitslosigkeit, Anspruch auf ausreichende Lebenshaltung (einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung), Recht auf Bildung. Immer wieder wurde von den Vereinten Nationen betont, dass die wirtschaftlichen und bürgerlichen Rechte die gleiche Bedeutung haben und interdependent sind (sog. Unteilbarkeit der MR). Somit sind mit der AEMR für die nationale und internationale Politik wichtige Ziele formuliert worden: Menschenrechte sind „das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal″ (Präambel der AEMR). Wie aber steht es um dieses Ideal in den Köpfen der Menschen – als Grundvoraussetzung seiner Wirksamkeit?
| Menschenrechte |
Militär und Gesellschaft
Jürgen Rose
Gewissensfreiheit statt Kadavergehorsam
Freispruch für Bundeswehroffizier
Der Bundeswehrmajor Florian Pfaff war nicht bereit, den Krieg der USA gegen den Irak im Rahmen der Bundeswehr zu unterstützen. Schikanen und eine Degradierung zum Hauptmann waren die Folge. Pfaff wehrte sich und bekam Recht. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sprach in einem Aufsehen erregenden Urteil den Bundeswehroffizier vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung frei. Es wertet das Völkerrecht deutlich höher als funktionierende Militärgewalt. In W&F 4-2005 kommentierte Helga Wullweber dieses Urteil: »Rechtliche Grenzen des Gehorsams – Auch Soldaten dürfen Befehle verweigern«. In folgendem Beitrag befasst sich Oberstleutnant Jürgen Rose u.a. Ereignissen rund um die »Befehlsverweigerung«, mit der Urteilsschelte – vor allem ehemaliger Militärs – und mit einigen Aspekten des Urteils, wie der völkerrechtlichen Beurteilung des Irak-Kriegs durch die Bundesverwaltungsrichter.
| Kriegsdienstverweigerung | Bundeswehr | Militär und Gesellsch. |
Verantwortung
Wolfgang Liebert
Einstein weiterdenken: Wissenschaft – Verantwortung – Frieden
Herausforderungen und Handlungsperspektiven
Vom 14.-16. Oktober 2005 fand in Berlin zum Ende des Einstein-Jahres die Internationale Friedenskonferenz »Einstein weiterdenken: Wissenschaft – Verantwortung – Frieden« statt, zu dem ein Trägerkreis bundesweit organisierter wissenschaftlicher NGOs eingeladen hatte.1 650 Gäste aus Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit diskutierten in neun Foren wissenschafts- und friedenspolitische Themenstellungen, die an Einsteins Engagement anknüpfen, aber auch die Problemstellungen für die heutige Zukunft darstellen. Im Folgenden wird das unter Federführung von Wolfgang Liebert entstandene Resümee der Foren in gekürzter Form abgedruckt.
| Verantw. der Wiss. | Friedenswiss./-forschung |