Editorial
Tobias Pflüger
Militärische oder friedenspolitische Think Tanks
Liebe Leserinnen, liebe Leser, Think Tanks – nicht nur der englische Begriff lässt uns hier zuerst an die USA denken. Zwar nutzen die Regierungen aller Industriestaaten das Expertenwissen aus »ihren« Denkfabriken, jedoch dürfte in keinem anderen Land der Einfluss der Think Tanks auf die Regierungspolitik so groß sein wie in den USA. Und das nicht erst seit Bush jr., bei dessen Machtantritt zahlreiche Hardliner aus den Denkfabriken direkt in die Administration wechselten. Hans-Jürgen Krysmanski und Rainer Rilling beleuchten in dieser Ausgabe die Geschichte und den gegenwärtigen Einfluss dieser Intellektuellen-Zirkel auf die US-Regierung, Jürgen Wagner beraubt uns der Illusion, ein möglicher Präsident John Kerry würde Wesentliches anderes machen, und Andrew Lichtermann zieht eine negative Erfolgsbilanz der alternativen »friedenspolitischen« Forschungsinstitute in den USA.
| Think-Tanks |
Gastkommentar
Corinna Hauswedell
Terror grenzenlos?
Höchste Zeit zur Deeskalation
Es gibt genügend Gründe, warum uns die schrecklichen Ereignisse von Beslan nicht loslassen dürfen, obwohl jener Ort in Nordossetien, der Anfang September Schauplatz des blutigsten Geiseldramas wurde, bereits wieder aus den Schlagzeilen verschwunden ist.
| Terrorismus | Historische Friedensf. |
Kommentierte Presseschau
Jürgen Nieth
Rückblick »nine-eleven«
Präsident Bush nahm den 11. September zum Anlass, den Terroristen den Krieg zu erklären, einen Krieg von unbestimmter Dauer, verbunden mit dem Versprechen, den Terrorismus endgültig zu vernichten. Drei Jahre später – und nach zwei Kriegen – fällt die Bilanz eher düster aus.
| Terrorismus | Medien und Krieg/Frieden |
Think Tanks
Hans Jürgen Krysmanski
Power Structure Research
Deskriptionsmodelle der herrschenden Klassen heute
Durch Globalisierung und Informatisierung, schreibt Fredric Jameson, werden die Linke wie die Rechte und die Wirtschaft selbst mit der Unmöglichkeit konfrontiert, dass irgendein regionales oder nationales Gebiet den Zustand der Autonomie oder gar der Subsistenz erreicht, sich vom Weltmarkt abkoppelt. So hat die „Rettung der Utopie″ nur eine Chance, wenn die Marxisten „den Gedanken einer globalen Totalität festhalten oder – wie Hegel gesagt hätte – »dem Negativen folgen« und so letztlich jenen Ort lebendig erhalten, von dem das – unverhoffte – Entstehen des Neuen erwartet werden kann.″ (Jameson 1996, 174 ff.) So wie Erkenntnis ist auch Herrschaft Aus- oder Vorgriff auf weltgesellschaftliche Totalität. Die Strukturen der Moderne, insbesondere der Staat, entlang derer Totalität einst begriffen werden konnte, lösen sich auf. Die Moderne verabschiedet sich mit Karikaturen ihrer selbst, mit Zeugnissen eines „immensen monadischen Stils″ (Jameson 1994, 131f.) wie den Weltbeherrschungsphantasien des Faschismus oder eines »American Empire« (Rilling 2002). In den Sozialwissenschaften haben Systementwerfer wie Talcott Parsons (1964) und Niklas Luhmann (1997) einen Begriff von Weltgesellschaft vorbereitet, wie er subjektloser und indifferenter nicht sein kann. Dieser Begriff erlaubt Handlungsorientierungen allenfalls denjenigen, die das System praktisch beherrschen. Doch wo Theorie ins Leere führt, finden sich nicht zuletzt in der Massenkultur Ansätze eines »cognitive mapping« (Jameson) globaler Totalität. Mithilfe der »geopolitischen Ästhetik« (Jameson) von »Weltfilmen« (global vermarkteten Hollywoodproduktionen) erfahren wir, wie der Versuch der Insertierung der amerikanischen Perspektive in die übrigen Regionen verläuft. Wir bekommen eine Ahnung davon, wie die nationale Allegorie der USA sich in ein konzeptuelles Instrument umzuformen beginnt, „das tatsächlich dazu taugt, unser aller neues In-der-Welt-Sein zu begreifen.″ (Jameson 1992, 3) Wir sehen, wie die amerikanische Machtelite die Welterklärungs-Schemata des Kalten Krieges, des Trikontismus usw. ablegt, wie sie zu Globalmodellen vordringt, die einerseits etwas vom kolonialistischen Blick der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg haben, andererseits mit dem Cyberspace operieren. Hardt und Negri (2002) haben die eine Seite dieser Entwicklung – den Netzcharakter und die »nicht-euklidische Räumlichkeit« (Jameson 1993; Sassen 1991) dieses Herrschaftshandelns – auf den Punkt gebracht. Die Voraussetzungen jedoch für die konkrete Beobachtung und Beschreibung der Akteure in diesem von den Strukturen der Moderne nicht mehr strukturierten globalen Raum hat – neben Hollywood – das US-amerikanische Power Structure Research geschaffen.
| Think-Tanks |
Rainer Rilling
Starke Politik
Der Machtkörper des neuimperialen Projekts in den USA
Seit Anfang der 90er Jahre steht die »Grand Strategy« einer Weltordnungspolitik zur Debatte und Entscheidung. Ihr Gedanke ist: Sicherung des globalisierten Kapitalismus durch ein dauerhaftes American Empire, das nicht herausgefordert werden kann. Die imperialistische Tradition des Projekts hat eine Jahrhundertgeschichte – so gesehen, ist es bislang nicht mehr als eine Episode. Sein neoliberales Milieu entstand in den letzten vier Jahrzehnten. Seine mächtigsten Akteure fanden sich im letzten Vierteljahrhundert. Ambition, Praxis und das Profil der »Grand Srategy« konturierten sich in den 90er Jahren. Sein Katalysator und machtpolitischer Durchbruch endlich war »Nineleven«. Der Irakkrieg ist seine erste Probe. Schlägt sie fehl, womöglich dramatisch, ist dieses Projekt noch lange nicht aus der Wirklichkeit. Es geht um die Zukunft des Neoliberalismus und seines amerikanischen Zentrums.
| Think-Tanks | USA |
Hans Jürgen Krysmanski
„I Still Wanted To Be A Generalist″
Ein Blick ins Innere des Council on Foreign Relations
„Die Vereinigten Staaten von Amerika können auf eine lange, erfolgreiche Geschichte ihres einzigartigen – und auf einzigartige Weise komplexen – Systems der außenpolitischen Praxis zurückblicken″, schreibt der Henry A. Kissinger Senior Fellow in U.S. Foreign Policy des Council on Foreign Relations, Walter Russell Mead, im Vorwort seines jüngsten, vielbeachteten Buches »Special Providence. American Foreign Policy and How It Changed the World«. Mead argumentiert darin, ‚,dass amerikanische Außenpolitik in den letzten zweihundert Jahren keineswegs chaotisch oder naiv oder eine Nebensache gewesen sei, wie etwa manche Europäer meinen, sondern erstaunlich konsistent und meist auf der Höhe der Zeit operierte.″ (Mead 2001, xviii)
| Think-Tanks | USA |
Jürgen Wagner
John Kerry: Ein liberaler Falke?
Anmerkungen zur künftigen demokratischen Außenpolitik
Bush bedeutet Krieg, Kerry Frieden. Auf diese Formel reduzieren viele in den USA, aber auch in Europa, die außenpolitische Programmatik der beiden Kontrahenten. Das geht sogar soweit, dass der amerikanische Philosoph Richard Rorty all diejenigen, die nicht bereit sind die Wahl Kerrys bedingungslos zu unterstützen, beschuldigt, sie würden verhindern, dass Amerika zu den friedfertigen Wurzeln seiner Außenpolitik zurückkehren könne. Und der Militärexperte und Bush-Kritiker Andrew J. Bacevich bezeichnet die anstehenden Wahlen gar als „ein Referendum gegen das Empire.″1 Doch wie berechtigt ist die Hoffnung auf eine gemäßigte amerikanische Außenpolitik unter Kerry? Jürgen Wagner über die außenpolitischen Vorstellungen des demokratischen Präsidentschaftskandidaten und seiner Think Tanks.
| USA |
Josef Braml
Deutsche und amerikanische Think Tanks
Voraussetzungen für ihr Wirken
Think Tanks – fast ausschließlich privat finanziert – sind für die US-amerikanische Öffentlichkeit selbstverständlich. In Deutschland – weitgehend staatsfinanziert – stehen sie nur selten mal im Rampenlicht. Der Autor geht der Frage nach, wie verwoben die amerikanischen und deutschen Denkfabriken jeweils mit ihrer institutionellen, rechtlichen, finanziellen, arbeitsmarktspezifischen, technologie-/medienspezifischen, intellektuellen und zunehmend wettbewerbsorientierten Umwelt sind. Er vergleicht die unterschiedlichen Mittel und Wege, die deutsche und amerikanische Think Tanks nutzen, um bestmöglich in ihrem spezifischen Marktkontext zu operieren und auf diesen Einfluss zu nehmen.
| Think-Tanks |
Peter Linke
Trojanische Pferde des Westens?
Russlands »Denkfabriken« – Masse statt Klasse
In den letzten Jahren schossen sie wie Pilze aus dem Boden – politische »Denkfabriken« verschiedenster Coleur: politologische Forschungszentren, die den innen- und außenpolitischen Gegebenheiten Russlands intellektuell Gestalt und Struktur verleihen möchten; Meinungsforschungsinstitute, die behaupten zu wissen, was Russlands »große« und »kleine« Leute wirklich denken; Consulting-Agenturen, die mit vermeintlichem Insider-Wissen das große Geld verdienen wollen.
| Think-Tanks | Russland / SU |
Andrew Lichterman
Think Tanks für Abrüstung und Frieden?
Als Think Tank – Denkfabrik – werden in den USA alle Organisationen bezeichnet, die sich schwerpunktmäßig mit der Erforschung und Analyse von Politik befassen. Die meisten Think Tanks sind angetreten um mit ihrer Arbeit vor allem die Regierung zu informieren und – entweder direkt oder indirekt – zu beeinflussen. Versorgt ein Think Tank auch eine breitere Öffentlichkeit mit Informationen, so beliefert er diese entweder mit abgespeckten Versionen der Materialien, die er zur Beeinflussung von Regierungen erstellt hat, oder er nutzt moderne Techniken der »Public Relations« – ein höflicher Begriff für Propaganda –, um die »öffentliche Meinung« für sich zu gewinnen. Nur wenige sind angetreten, um als Experten sozialen Bewegungen zur Seite zu stehen. Andrew Lichterman über den Einfluss US-amerikanischer Think Tanks auf Rüstung / Rüstungskontrolle und die Friedensbewegung.
| Think-Tanks | Friedenswiss./-forschung |
Verantwortung
Jürgen Schneider
Verantwortung für die Zukunft übernehmen
Forschung und Lehre für Friedens- und Zukunftsfähigkeit
„Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird. Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.″ Dieser Satz Erich Kästners gilt auch für Forschung und Lehre in einer sich in immer rascherem Tempo verändernden zivilisatorischen und einer zunehmend militarisierten Welt. Der Autor geht davon aus, dass es nicht reicht, wenn die Universitäten nur für künftige Berufe in der Wirtschaft und für die Forschung ausbilden; sie haben darüber hinaus auch die Aufgabe durch Bildung ethisches und moralisches Orientierungsvermögen zu vermitteln. Die Voraussetzung für die Durchsetzung einer dem Frieden und der Sicherung der Lebensgrundlagen verpflichteten Politik.
| Verantw. der Wiss. |
Gesellschaft
Johannes M. Becker
Zum Reichtum unseres Landes
Die Bundesregierung und die schwarz-gelbe-Opposition sind sich im Prinzip einig: Die Lohnkosten müssen gesenkt werden, um Produktionsverlagerungen der deutschen Industrie ins Ausland zu verhindern. Deshalb sollen zunehmend Kosten aus der Sozialversicherung einseitig von den arbeitenden Menschen getragen werden, werden Arbeitszeitverlängerungen – wie bei Daimler – begrüßt, wird mit Hartz IV der Einstieg in Niedriglohngebiete – nicht nur im Osten – programmiert. Aber wie geht das zusammen: Auf der einen Seite die umfassenden Appelle zum »Maßhalten« und auf der anderen Seite die Tatsache, dass Deutschland Exportweltmeister ist, und das nicht nur Pro Kopf der Bevölkerung, sondern absolut. Mit einer Differenz von unvorstellbaren 130 Milliarden Euro zwischen Importen und Exporten in 2003 – für 2004 wird eine neue Rekordmarke vorausgesagt – erzielte die BRD der 82 Millionen einen um sieben Prozent höheren Überschuss als der 290 Millionen-Staat USA. Und das auch noch bei einem historischen Höchststand des Euro gegenüber dem US-Dollar, d.h. unter eigentlich den Export erschwerenden Bedingungen!
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Naher Osten
Jürgen Rose
Die »Tempelwaffen«
Israel: fünfstärkste Nuklearmacht
Zweifellos stellen Massenvernichtungswaffen eine existentielle Bedrohung dar. Folgerichtig räumen sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Europäische Union dem Kampf gegen diese Geißel der Menschheit in ihren jeweiligen Sicherheitsstrategien hohe Priorität ein. Umso mehr muss der äußerst selektive Umgang mit dieser Bedrohung irritieren. So finden die jeweils etwa 10.000 Atomsprengköpfe allein in den Arsenalen der USA und der Russischen Föderation kaum mehr Beachtung. Die Bush-Administration hat den Terminus »nukleare Rüstungskontrolle« aus ihrem Wortschatz getilgt, ganz zu schweigen von nuklearer Abrüstung. Mit den Bemühungen um Rüstungskontrolle auf dem Gebiet der chemischen und biologischen Waffen verhält es sich nicht anders – selbstredend nur, soweit die USA und ihre Verbündeten betroffen sind. Zu denen zählt auch Israel, das mit seinen »Tempelwaffen«1 mittlerweile zur fünfstärksten Nuklearmacht der Welt aufgestiegen ist.
| A-waffen | Israel/Palästina |
Bericht
Barbara Dietrich
Stop The Wall
Bericht über die Internationale Konferenz
Anfang Juni fand in Köln eine Internationale Konferenz mit dem Titel »Stop The Wall – für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel« statt. Veranstalter/innen und Unterstützer/innen waren die Palästinensische Gemeinde Deutschland, Gush Shalom Deutschland und andere palästinensische und israelische Gruppen, palästinensisch/israelische Gruppen, arabische, deutsch-arabische und deutsch-palästinensische Gruppen sowie deutsche Menschenrechts- und Friedensgruppen, darunter IPPNW, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Vereinigung Demokratischer Juristen/innen und attac.
| Israel/Palästina |