Editorial
Margitta Matthies
Editorial
Im Juni 1999 steht Köln mit zwei internationalen Gipfeltreffen im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Am 3./4. Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zum EU-Gipfel und vom 18. bis 20. Juni kommen die Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen und Russlands – das seit 1998 vollwertiges Mitglied ist – zum Weltwirtschaftsgipfel der G8 zusammen.
| Weltordnung |
Gastkommentar
Andreas Zumach
Das böse Erwachen kommt noch
Zum 50. Geburtstag der NATO
Strategiedebatten der NATO sowie tatsächliche Korrekturen ihrer Doktrin wurden in den ersten 40 Jahren ihres Bestehens bis zum Fall der Berliner Mauer immer von den USA ausgelöst. Anlass war jeweils eine oft durch neue waffentechnologische Möglichkeiten bestimmte Veränderung der nationalen Atomwaffendoktrin der Bündnisvormacht. Sie wurde dann immer sehr bald zur gemeinsamen Doktrin der Allianz. Wobei den Bündnispartnern – mit Frankreichs Ausnahme – jeweils die Illusion gelassen wurde, sie hätten tatsächlich mitentschieden. Bekanntestes Beispiel ist der Wechsel von der »massiven Vergeltung« hin zur »flexiblen Antwort« Ende der 60er Jahre. In der Regel fanden die Diskussionen hinter verschlossenen Türen der NATO-Militärs statt; manchmal wurden elitäre Zirkel »sicherheitspolitischer Experten« aus Politik, Wissenschaft und Medien beteiligt. Die Debatte um die Atombewaffnung der Bundeswehr Ende der 50er Jahre und die dem NATO-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 folgende scharfe und lang anhaltende öffentliche Kontroverse um die Stationierung neuer Atomraketen sind die einzigen Fälle, in denen relevante, (über)lebenswichtige Fragen der Sicherheitspolitik in der partizipatorischen Breite und Intensität diskutiert wurden, wie sie für parlamentarische Demokratien eigentlich selbstverständlich sein sollten. Dass die öffentliche Kontroverse der 80er Jahre nicht nur von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, sondern von weiten Teilen der damaligen politischen Eliten in den NATO-Staaten als ärgerlicher Betriebsunfall verarbeitet wurde und die schließliche Durchsetzung der Stationierung von Pershing 2 und Cruise Missiles als »Sieg der Politik über die Straße«, zeugt von einem gefährlichen Demokratiedefizit.
| NATO | Militärstrategien |
Bonner Notizen
Jürgen Nieth
Bonner Notizen 1/99
1998: Mehr Wehrdienstverweigerer als je zuvor Nach einer Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums haben im vergangenen Jahr 171.657 Männer einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt. Damit wurde der bisherige Höchststand aus dem Jahr 1995 um über 10.000 übertroffen. Seit der Einführung der Wehrpflicht haben damit nach Schätzungen über 2 Millionen Wehrpflichtige von ihrem Grundrecht auf Verweigerung Gebrauch gemacht. Seit 1990 liegt die Zahl jeweils über 100.000.
| keine Kategorie zugeordnet |
Risiko Kapital
Hans-Jürgen Fischbeck
Wirtschaft unter Wachstumszwang?
Das Stabilitätsgesetz der Bundesrepublik von 1967 verpflichtet die Wirtschafts- und Haushaltspolitik des Bundes, für ein stetiges reales Wirtschaftswachstum zu sorgen. Prinzipiell ist in einer endlichen Welt ein stetiges (immerwährendes) Wirtschaftswachstum nicht möglich. Noch mehr gilt dies für ein Wachstum mit (mehr oder weniger) konstanter prozentualer Wachstumsrate, das allgemein als erforderlich angesehen und angestrebt wird, obwohl ein solches exponentielles Wachstum gleichbleibende Verdoppelungsraten bedeutet. Deshalb enthält das Stabilitätsgesetz einen fundamentalen Widerspruch: Etwas ständig Wachsendes kann nach elementaren Naturgesetzen nicht stabil bleiben.
| Weltordnung |
Roland Götz
Der IWF und Russland
Nachdem Russland 1992 Mitglied des IWF geworden war, erhielt es zunächst nur geringe Kredite im Gesamtumfang von 4 Mrd. US-Dollar. Erst nachdem die Zentralbank zu einer ausgeprägten Antiinflationspolitik übergegangen war und die direkte Kreditierung des Staatshaushaltes einstellte, wurden Russland in den Jahren 1995 bis 1997 weitere rund 17 Mrd. mittelfristige Kredite zugesagt. Mitte 1998 versuchte der IWF mit seinem Anteil von 11 Mrd. $ innerhalb eines Stützungsprogramms, an dem die Weltbank und Japan teilhatten, die sich zuspitzende Währungskrise abzufangen. Nach dem Regierungswechsel bemüht sich das Kabinett Primakow bislang vergeblich, die Auszahlung bereits bewilligter Mittel zu erreichen und legte zu diesem Zweck einen reichlich unrealistischen Haushaltsentwurf für 1999 vor. Gleichwohl ist es möglich, dass der IWF die erwünschten Mittel gewährt, um die Zahlungsunfähigkeit des Landes abzuwenden. Da die Vergabe von Krediten an Russland, dem noch jahrelange wirtschaftliche Stagnation droht, wirtschaftlich wenig Sinn ergibt, sollte über Alternativen nachgedacht werden. Dies gilt insbesondere für die mittelfristigen Kredite des IWF, die auf die Behebung vorübergehender Zahlungsbilanzschwierigkeiten gerichtet sind. Ein Schuldenerlass, die Einrichtung eines Währungsrates (Currency board) oder ein Hilfsprogramm ähnlich dem Marshallplan kommen in Frage, wobei jede dieser Alternativen ihre eigene Problematik aufweist.
| Weltordnung |
Arno Neuber
Kampf um den Weltrüstungsmarkt
Der Handel mit Waffen boomt wieder. Nach einem zwischenzeitlich deutlichen Rückgang, vor allem infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und des Warschauer Paktes, sind seit 1994 wieder kräftige Zuwächse zu verzeichnen. Hauptlieferant sind die USA und die US-Rüstungskonzerne dürfen sich als Gewinner bei der Neuordnung des Rüstungsweltmarktes nach dem Sieg im Kalten Krieg fühlen.
| Rüstungsexporte |
Mohssen Massarrat
Die unheilige Allianz mit dem irakischen Diktator
Es sind inzwischen sechs Wochen seit der Militäraktion der anglo-amerikanischen Allianz »Wüsten-Fuchs« vergangen. Die vermeintlichen Kriegsziele, „die irakischen Massenvernichtungsmittel zu zerstören und Saddam Hussein zu stürzen″ haben sich als das herausgestellt, was sie von vornherein waren, nämlich eine bewusste Irreführung der Weltöffentlichkeit zur Rechtfertigung einer Militäraktion, die eine völlig anders gelagerte, einerseits global-strategisch und andererseits geostrategisch eigene Logik besitzt. Wären irakische Massenvernichtungsmittel als Kriegsziel lokalisierbar gewesen, wären sie vorher durch UNSCOM entdeckt worden. Auch die offizielle Rhetorik zum Sturz von Saddam Hussein lenkt davon ab, dass das irakische Regime ein besonders nützliches Element der US-amerikanischen Geostrategie darstellt.
| Irak/Golfkriege |
Rainer Falk
Von Bretton Woods zum »Casino-Kapitalismus« – und zurück?
Zur Reform der internationalen Finanzarchitektur
Das Thema dieses Beitrags verweist auf die entscheidende Zäsur in der Entwicklung des internationalen Finanzsystems nach dem Zweiten Weltkrieg: den Zusammenbruch des sogenannten Systems von Bretton Woods Anfang der 70er Jahre, also jenes Systems der zum US-Dollar fest fixierten Wechselkurse, das 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods in den USA aus der Taufe gehoben worden war. Seither, d.h. seit Beginn der 70er Jahre, hat sich faktisch ein Laissez-faire der Währungs- und der Geldmärkte etabliert, verbunden mit einer quantitativen Explosion dieser Märkte und einer Spaltung des Finanzsektors in ein nichtstaatliches Segment und ein mit den nationalen Ökonomien verflochtenes Segment.1
| Weltordnung |
Hans Diefenbacher
Ökologisch und sozial verträgliche Arbeit im Kontext globaler Konkurrenz
Die Erklärungsmuster für die Lage und Entwicklung weltwirtschaftlicher Strukturen und deren wechselseitige Verflechtung ist immer eine Frage der Sichtweise. Dies zeigt der Beitrag von Hans Diefenbacher, der anhand unterschiedlicher Leitbilder verschiedene Erklärungstypen für die wichtigsten Probleme der Weltwirtschaft gibt. Einer rein ökonomischen Logik, die einen funktionierenden Markt für die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Komponenten voraussetzt, stellt er eine ökologisch und sozial verträgliche Organisation der Wirtschaft als Grundlage für das Funktionieren des Marktes gegenüber.
| Ökologie |
Jürgen Scheffran
Konflikt und Kooperation
Akteursmodelle in Ökonomie und Ökologie
„Sollen zwei Nachbarländer Zölle auf die Produkte des jeweils anderen erheben? Sollen zwei Firmen, die dasselbe Produkt herstellen, sich den Markt durch Absprachen aufteilen oder einander bis zum eigenen Ruin unterbieten? Sollen zwei Tierarten auf demselben Territorium friedlich nebeneinander leben oder sich die knappen Ressourcen streitig machen?″1Solche Fragen sind Variationen über ein Thema: Unter welchen Bedingungen werden Konflikte zwischen Akteuren ausgetragen und wann lohnt sich kooperatives Verhalten? Die Beispiele zeigen, dass die zugrundeliegende Problematik nicht auf ökonomische Systeme beschränkt ist, sondern im Reich der belebten Natur überall anzutreffen ist. Glaubt man jüngeren Forschungergebnissen, kann die Konfliktforschung um neue interdisziplinären Perspektiven bereichert werden.
| Ökologie |
Zukunft der Bundeswehr
Andreas Körner
Zurück in die Zukunft?
Mit der Wehrstrukturkommissionzu neuen Ufern?
In ihrer Koalitionsvereinbarung vom Oktober 1998 haben SPD und Bündnisgrüne sich darauf verständigt, dass die neue Bundesregierung eine Wehrstrukturkommission einsetzen wird, die „auf der Grundlage einer aktualisierten Bedrohungsanalyse und eines erweiterten Sicherheitsbegriffs Auftrag, Umfang, Wehrform, Ausbildung und Ausrüstung der Streitkräfte überprüfen und Optionen einer zukünftigen Bundeswehrstruktur bis zu Mitte der Legislaturperiode vorlegen″ wird. „Vor Abschluss der Arbeit der Wehrstrukturkommission werden unbeschadet des allgemeinen Haushaltsvorbehalts keine Sach- und Haushaltsentscheidungen getroffen, die die zu untersuchenden Bereiche wesentlich verändern oder neue Fakten schaffen.″ Nach den öffentlichen Bekundungen des Verteidigungsministers soll diese Kommission ergebnisoffen arbeiten, d. h. dass es für die Kommission vorab keine Vorgaben bezüglich des anzustrebenden Umfangs oder der Wehrform geben wird. Was darf man von einer solchen Kommission, was von der neuen Regierung erwarten? Liegen die Optionen für die Zukunft der neuen Bundeswehr nicht längst schon auf dem Tisch oder zumindest in den Schubladen der neuen Leitung des BMVg? Vieles spricht dafür, dass die Bundeswehr nach den Vorstellungen der größten Regierungspartei eine europäischere, technologisch modernisiertere und moderat verkleinerte Armee mit kurzdienenden Wehrpflichtigen sein wird.
| Bundeswehr |
Albert Fuchs
Nicht unter »Generalverdacht«, aber unter kritischem Blick
Was Sozialwissenschaftler im Detail am Thema Bundeswehr und Rechtsextremismus interessieren könnte
Der vorliegende Entwurf eines sozialwissenschaftlichen Forschungsprogramms zum Thema Bundeswehr und Rechtsextremismus entstand in Aufarbeitung des vergeblichen Versuchs, einen entsprechenden Beitrag für W&F zu akquirieren. Darin sollte aus gegebenem Anlaß die einschlägige Forschungslage dargestellt werden. Der Versuch scheiterte mangels relevanter, empirisch fundierter Erkenntnisse. Vor diesem Hintergrund werden zentrale Forschungsdesiderate skizziert: eine hinlängliche Begriffsklärung, die Erarbeitung eines geeigneten Untersuchungsinstrumentariums, die Bestimmung der Prävalenz und Entwicklung rechtsextremistischer Vorkommnisse, Vernetzungen, und Orientierungsmuster im Bereich der Bundeswehr, die Prüfung spezifischer Erklärungsansätze sowie die Bewertung und Entwicklung geeigneter Auseinandersetzungsstrategien. Zum Abschluss werden einige Bedingungen der Realisierung des skizzierten Programms zur Diskussion gestellt.
| Bundeswehr | Rechtsextr./Rassismus |
IALANA
Zur aktuellen Diskussion um die neue Nuklear-Strategie der NATO
Memorandum der IALANA vom 26. November 1998
In ihrer Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik u.a. auf zwei Ziele festgelegt:
| Militärstrategien | NATO |
Berichte
Redaktion
15 Jahre Wissenschaft und Frieden
Streiflichter von der Festveranstaltung
15 Jahre Wissenschaft und Frieden: Vom Oktober 1983 bis zum Dezember 1998. AutorInnen aus Deutschland, den USA, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich, Russland, Japan und vielen anderen Ländern haben in diesen 15 Jahren in 63 Ausgaben von W&F mit rund 1.500 Artikeln Position bezogen. Ein Grund zu feiern, nicht nur für Redaktion, Vorstand und Herausgeber. Über Hundert Aktive aus den Friedensinitiativen der WissenschaftlerInnen, aus Friedensforschungsinstituten, Hochschulen, aus Friedens- und Menschenrechtsorganisationen folgten am 15. Januar der Einladung von W&F in die Hessische Landesvertretung, fanden Zeit und Gelegenheit zum Gespräch miteinander; zur Erinnerung und zur Diskussion des wie weiter unter den neuen politischen Rahmenbedingungen. Um die Zukunft der Friedens- und Konfliktforschung ging es auch in einigen der hier auszugsweise dokumentierten Grußworte.
| Medien und Krieg/Frieden |
Marianne Zepp
Militär und Geschlechterverhältnis
Kongress der Heinrich-Böll-Stiftung
Im Herbst 1998 veranstaltete die Heinrich-Böll-Stiftung einen Kongress mit dem Titel »Militär und Geschlechterverhältnis« (16. bis 18. Oktober in Berlin). Er war die gemeinsame Arbeit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, die sich die Aufgabe gestellt hatte, die Verschränkung von Militär, militaristischen Strukturen und dem Geschlechterverhältnis zu thematisieren. Diese Arbeitsgruppe, bestehend aus 8 Wissenschaftlerinnen – Soziologinnen, Historikerinnen, Journalistinnen und Politologinnen – hatte sich zum Ziel gesetzt, neben der Genese militärischer Strukturen und Gewalt, die Bedeutung von Männlichkeit und Weiblichkeit in diesem Prozess zu erörtern, aber auch aktuelle Erfahrungen in Kriegs- und Krisengebieten wie Ex-Jugoslawien unter geschlechterspezifischer Perspektive vorzustellen. Gewalt gegen Frauen, die Rolle von Hilfsorganisationen sowie die juristischen Folgen und deren Bearbeitung waren Teil des Veranstaltungsprogramms. Im Folgenden sollen einige der wichtigsten Beiträge kurz referiert und ein Einblick in die wichtigsten Debatten gegeben werden.
| Gender/Feminismus |
Werner Brill & Tobias Pflüger
Bundeswehr und Rechtsextremismus
Tagung des Zentrums Innere Führung
Vom 19.- 21.10.1998 führte das »Zentrum Innere Führung« der Bundeswehr zusammen mit den Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung in Saarbrücken eine Tagung zum Thema »Bundeswehr und Rechtsextremismus« durch. Zugelassen wurden diesmal auch freie Träger aus der politischen Bildungsarbeit. In den Referaten und Diskussionen ging es um den Zustand der politischen Bildung in der Bundeswehr und um Erklärungsmuster für rechte Vorfälle bei der Bundeswehr. Referenten waren neben Offizieren des »Zentrums Innere Führung« auch Prof. Dr. Wolfram Wette und Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter. Es entstand der Eindruck, dass ein größerer Teil der anwesenden Vertreter der Bundeswehr das Thema Rechtsextremismus sehr ernst nimmt und es »anpacken« will. Offensichtlich – das wurde in den Pausengesprächen deutlich – stellen diese Bundeswehroffiziere aber damit wohl noch eine Minderheit innerhalb der Bundeswehr dar.
| Bundeswehr | Rechtsextr./Rassismus |
Jürgen Nieth
Friedenspolitik unter Rot-Grün
5. Friedensratschlag in Kassel
Über 250 Aktive kamen am 5. und 6. Dezember zum Friedensratschlag nach Kassel. Dabei auch Friedensbewegte aus Holland, Belgien, Frankreich, Österreich und erstmalig auch aus Japan. Das vom bundesweiten »Arbeitskreis Friedensratschlag«, dem Kasseler Friedensforum und WissenschaftlerInnen der Uni Kassel organisierte Arbeitstreffen findet seit 5 Jahren jeweils am ersten Dezemberwochenende statt. Eine Tradition die beibehalten werden soll, für 1999 wurde bereits eingeladen.
| Friedensbewegung |