Editorial
Paul Schäfer
Editorial
„Die Gesellschaft kann auf Dauer nicht mit den Mitteln zu ihrer Vernichtung leben.″
| Weltordnung |
Gastkommentar
Heiko Kauffmann
Hilfe und Schutz statt Abwehr und Abschottung.
Im Kosovo eskaliert die Gewalt: Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht, die Zerstörung und ethnische Säuberung ganzer Landstriche ist in vollem Gang, die Bevölkerung – vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen – wird gewaltsam vertrieben, flieht in die Wälder und Berge, in die Nachbarstaaten. Auf über 200.000 ist in den letzten Wochen die Zahl der Flüchtlinge alleine in diesem Jahr angestiegen. 350.000 Kosovo-Albanerinnen und -Albaner waren bereits vorher aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und anhaltenden Repressalien geflohen, davon 140.000 nach Deutschland.
| Asyl/Flucht |
Bonner Notizen
Jürgen Nieth
Bonner Notizen
Titan Explosion bestätigt alte Befürchtungen Am 13. August explodierte eine Titan IV-Rakete der USA, die einen geheimen Aufklärungssatelliten in die Erdumlaufbahn transportieren sollte. Als Unfallursache wird ein Defekt in der Antriebsdüse vermutet. Vergangenes Jahr brachte eine Titan IVB das Satellitendoppel Cassini/Huygens auf den Weg zum Saturn. Mit an Bord waren 32,8 kg Plutoniumdioxid, die zur Energieerzeugung der Bordinstrumente dienten. Die Gegner des »Cassini«-Forschungsprojektes hatten schon damals darauf hingewiesen, daß die Rakete nicht das sichere »Arbeitspferd« sei, wie von der NASA behauptet, und daß bei einem Unfall eine Verstrahlung der Erdatmosphäre drohe. Das Darmstädter Friedensforum, in der BRD federführend in der Protestbewegung, machte weiter darauf aufmerksam, daß bei den bislang 70 nuklearen Weltraummissionen der USA und der Sowjetunion (bzw. Rußlands) etwa zehn Unfälle oder schwerwiegende Probleme aufgetreten sind.
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Friedenskonzepte
Wolfgang R. Vogt
Friedensvisionen
Thesen für eine Zivilisierung der Weltgesellschaft
In Zeiten historischer Umbrüche, in denen das Alte nicht mehr und das Neue noch nicht gilt, sind konstruktive Zukunftsentwürfe zur Friedensentwicklung besonders wichtig. Am Ende des 20. Jahrhunderts – das viele Kennzeichen einer krisenhaften Übergangsperiode aufweist – gibt es diesbezügliche Defizite, es fehlt an Mut zu neuen Visionen vom Frieden.
| Weltordnung |
Gottfried Niedhart
Frieden durch Freihandel und Demokratie
Zur Genesis des liberalen Modells der Friedenssicherung
Der Weltkriegsgeneral und spätere Reichswehrminister der Weimarer Republik Wilhelm Groener beobachtete 1927, als die internationale Friedensordnung von Locarno noch nicht gescheitert war, widerstreitende Tendenzen in der Weltpolitik: auf der einen Seite „Bestrebungen der Regierungen, durch politische Friedensaktionen kriegerischen Entladungen vorzubeugen;″ auf der anderen Seite fortgesetzte Anstrengungen „die Völker für den Krieg zu organisieren.″ Dabei wollte er nicht ausschließen, daß sich das Interesse an Friedenswahrung durchsetzen und „die Menschheit″ an einem „Wendepunkt ihrer Geschichte stehen könnte″. Er führte dies nicht auf einen Bewußtseinswandel der Menschen nach dem Schock des Ersten Weltkriegs oder auf die Überzeugungskraft von Pazifisten zurück. Vielmehr glaubte er, einen strukturell wirkenden Damm gegen kriegerischen Konfliktaustrag entdeckt zu haben. Die Regierungen seien infolge globaler Interdependenzen wirtschaftlicher und finanzieller Art in ihrem politischen Handlungsspielraum eingeengt. Die moderne Wirtschaft, die mit ihren globalen Verzweigungen und Verflechtungen nicht mehr nur Sache der Nationalstaaten und ihrer Volkswirtschaften sei, übe möglicherweise „einen unwiderstehlichen Zwang zum Frieden″ aus. „Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen werden oftmals mächtiger sein als kriegerische Bestrebungen.″ 1
| Weltordnung |
Arend Wellmann
Zur Diskussion um den demokratischen Frieden
Aus friedenswissenschaftlicher Sicht wird die Organisation eines Herrschaftssystems vor allem aus der Perspektive seiner Friedensfähigkeit betrachtet. Einer der ersten, der einen Zusammenhang zwischen Republiken und Frieden postulierte, war Immanuel Kant in seinem Traktat »Zum Ewigen Frieden« (1795). Republiken, so Kant, seien weniger kriegsgeneigt, da „[w]enn (wie es in dieser Verfassung nicht anders sein kann) die Beistimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, ob Krieg sein soll oder nicht, so ist nichts natürlicher als das sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen (…).″ (Kant, 1922: 127f.) Was läßt sich – die These Kants zugrundegelegt – über den »demokratischen Frieden« heute aussagen?
| Militär und Gesellsch. |
Arnold Köpcke-Duttler
Recht und Frieden
Gedanken zu einem interkulturellen Recht
Nach herrschendem westlichem Verständnis entstammt das Recht zum größten Teil, wenn nicht ausschließlich, formellen Akten staatlicher Gewalt und wird durch die Exekutivorgane des Staates durchgesetzt. Betrachtet man dann noch in der Tradition der Hobbes′schen Staatsphilosophie den Staat letztlich als durch die (potentielle) Gewalttätigkeit der Individuen konstituiert, erscheint das Recht als so eng mit der Gewalt liiert, daß es kaum wundernehmen kann, wenn seine gleichwohl postulierte Friedensfunktion nur allzu oft ausbleibt oder sich gar in ihr Gegenteil verkehrt. Aber vielleicht ist das »nur« die Folge dieser sozialen Konstruktionen über das Recht, eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung. Der folgende Beitrag skizziert alternative rechtsphilosophische Konstruktionen.
| Religion/Kultur |
Friedens- und KonfliktforscherInnen
Der Krieg ist ein »Kulturprodukt«
Erklärung von Sevilla zur Gewaltfrage
Immer wieder erscheinen in deutschen Magazinen Beiträge, in denen die Spekulationen von Philosophen und von Begründern moderner wissenschaftlicher Disziplinen zum Ursprung der menschlichen Aggressivität und Gewalttätigkeit aufgewärmt werden – als wäre diesbezüglich in den involvierten Disziplinen bisher keinerlei Fortschritt zu verzeichnen. So entsteht bestenfalls der Eindruck eines Unentschieden zwischen »Pesssimisten« und »Optimisten«, zwischen »Anlage-« und »Umwelttheoretikern«, oder wie immer man die grundlegenden Ansätze kennzeichnen mag; wahrscheinlich aber liefert man damit autoritären Ordnungsvorstellungen und -bestrebungen eine quasi-biologische Rechtfertigung. Vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, die am 16. Mai 1986 von einer internationalen Kommission von zwanzig Wissenschaftlern im Rahmen eines Kolloquiums an der Universität von Sevilla als Beitrag zum Internationalen Jahr des Friedens 1986 erarbeitete Erklärung zur Gewaltfrage in Erinnerung zu bringen. Diese »Erklärung von Sevilla« richtet sich ausdrücklich gegen den weitverbreiteten Glauben, der Mensch sei infolge angeborener biologischer Faktoren zu Gewalt und Krieg prädisponiert. Sie wurde im November 1989 von der 25. Konferenz der UNESCO zwecks weltweiter Verbreitung und als Grundlage eigener Expertentagungen übernommen. Durch Dokumentation dieser wichtigen Erklärung in dem vorliegenden Heft von W&F wollen wir zu ihrer Verbreitung beitragen. Die Übersetzung besorgte A. Fuchs auf der Grundlage des als Anhang zu dem von Silverberg & Gray (1992) herausgegebenen Sammelband abgedruckten englischen Textes1 und unter Berücksichtigung der von der deutschen UNESCO-Kommission freundlicherweise zur Verfügung gestellten Übersetzung.2 Die Zwischenüberschriften und die Numerierung der Hauptthesen i.V.m. der Phrase »Aus der Sicht der . . .« wurden redaktionell eingefügt.
| Konflikt-/Gewaltursachen | Friedenswiss./-forschung |
Dieter Bricke
Auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung
Ziel europäischer Friedenspolitik sollte eine Friedensordnung sein, die den Schutz der Menschen, Gesellschaften und europäischen Staaten sowie der Natur vor Gewalteinwirkung, Armut, Not, Verfolgung, Unterdrückung und Zerstörung in den Mittelpunkt stellt. Sie kann nur in einem lang anhaltenden gesellschaftlichen Prozeß verwirklicht werden. Statt pragmatischem »Durchwursteln« muß Friedenshandeln an ethischen Normen und wissenschaftlich fundierten politischen Konzepten und Prozessen ausgerichtet werden. Die komplexe Problemstellung verlangt ebenso ausdifferenzierte wie ganzheitliche Antworten.
| Konfliktbearb./-prävention |
Wolfgang Biermann
»Wider« Peacekeeping oder »Wilder« Peacekeeping
Möglichkeiten undGrenzen Kollektiver Sicherheit
Die Massaker serbischer Sicherheitskräfte an Kosovo-Albanern im Frühjahr 1998 und die darauf folgende Eskalation der Gewalt im Kosovo hat erneut die Diskussion um militärische Interventionen ausgelöst. Dabei laufen die Diskussionen nach dem gleichen Grundmuster ab wie zur Zeit der Eskalation in Bosnien: Erst große Worte von Intervention, dann die Einsicht, daß sich die Drohgebärden weder politisch noch militärisch realisieren lassen, und daß die Realität vor Ort komplexer ist als nur der Kampf zwischen Gut und Böse. Im Ergebnis läuft der Krieg weiter, mehr polarisiert als jemals zuvor.
| Konfliktbearb./-prävention |
Johan Galtung
Konflikttransformation mit friedlichen Mitteln
Die Methode der Transzendenz
Konflikte haben ihren eigenen Lebenszyklus, fast wie ein Organismus. Sie erscheinen, erreichen einen emotionalen, gar gewalttätigen Höhepunkt, werden dann schwächer, verschwinden – und kommen oft wieder. Dahinter steht eine Logik, da Einzelne und Gruppen (wie Nationen und Staaten) ihre Ziele haben:
| Konfliktbearb./-prävention |
Martina Fischer
»Empowerment« in Bosnien-Hercegovina
Friedensfachdienste in Krisenregionen
Schon mit Beginn und im Verlauf der Kriege im zerfallenden Jugoslawien begannen Friedensgruppen und Bürgerrechtsverbände, die bundesweit, europaweit oder international organisiert waren, friedensorientierte Initiativen in der Region zu unterstützen. Ihre Arbeit umfaßte die Herstellung von »Gegenöffentlichkeit« zur nationalistischen Propaganda und Aufklärung auf internationaler Ebene, die Unterstützung der Kriegsopfer und Flüchtlinge durch materielle, humanitäre, medizinische oder psychosoziale Hilfe sowie die Unterstützung von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern. Es entstanden Initiativen zur Dokumentation von Kriegsverbrechen und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen, zur Aufrechterhaltung von Kommunikation zwischen Menschen verfeindeter Lager, zur Konfliktvermittlung und zum Aufbau einer zivilen Gesellschaft (vgl. dazu Large, 1997). Zwar haben diese Organisationen nicht die Kampfhandlungen beenden können, aber sie haben erheblich zur Bearbeitung der Kriegsfolgen beigetragen und Grundsteine für eine Verständigung gelegt, auf die eine notwendige Versöhnungsarbeit langfristig aufbauen kann. In folgendem Beitrag werden zwei unterschiedliche in Bosnien-Hercegovina praktizierte Ansätze skizziert. Dann wird den Fragen nachgegangen: Welche Voraussetzungen sind für eine langfristig erfolgreiche Friedensarbeit erforderlich, welche Anforderungen werden an die ProtagonistInnen gestellt und was bedeutet das für ihre Vorbereitung? Abschließend geht es um die politischen Rahmenbedingungen und Perspektiven für Friedensfachdienste in der Bundesrepublik.
| Konfliktbearb./-prävention | Balkan (-kriege) | Ziviler Friedensdienst |
Ausstellung
Corinna Hauswedell & Susanne Heinke-Mikaeilian
ConverArt
Die Kunst der Abrüstung
Anläßlich des 350. Jahrestages des Westfälischen Friedens hat das Bonner Konversionszentrum (BICC) einen Wettbewerb unter Kunststudenten zum Thema Abrüstung und Konversion ausgeschrieben, dessen Ergebnisse bis zum 27. September im Westfälischen Landesmuseum Münster zu sehen sind. Die Illustrationen in W&F 3/98 dokumentieren Ausschnitte aus dieser Ausstellung. Das BICC zeigt ConverArt zusammen mit einer Informationsausstellung »Abrüstung und Konversion – Vom Kalten Krieg ins Jahr 2000«.
| Abrüstung/Konversion |
Kleinwaffen
Sibylle Bauer
EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte
(K)eine Antwort auf die Kleinwaffenproblematik?
Während der letzten Jahre findet der Problemkomplex Kleinwaffen bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Akademikern und Politikern zunehmend Beachtung. Die Bandbreite der NGOs, die inzwischen zu verschiedenen Aspekten dieses Themas arbeiten, umfaßt u. a. die Bereiche Menschenrechte, Entwicklung, humanitäre Hilfe sowie Frieden und Abrüstung. Seit etwa einem Jahr nimmt auch die Vernetzung und Koordinierung der Aktivitäten deutlich zu, so daß sogar von einer im Entstehen begriffenen Kleinwaffenkampagne gesprochen wird. In dem Beitrag von Sibylle Bauer geht es um eine dieser Initiativen, konkret um den am 25.5.1998 von den EU-Außenministern beschlossenen EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte. Ein solcher Kodex gehört als Möglichkeit zur Einschränkung und besseren Kontrolle von Kleinwaffenexporten seit Langem zu den Standardforderungen vieler NGOs.
| Rüstungsexporte | Europäische Union |
Bundeswehr
Klaus Naumann & Tobias Pflüger
Kontinuität – Diskontinuität Bundeswehr – Wehrmacht
Gespräch zwischen Klaus Naumann und Tobias Pflüger
»Alte Kameraden« und die extreme Rechte protestierten – zum Teil gewalttätig – gegen die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung: Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, die seit 1995 in verschiedenen deutschen und österreichischen Städten gezeigt wurde. Doch auch von links, aus dem pazifistischen Lager gab es Kritik. Klaus Naumann vom Hamburger Institut für Sozialforschung und Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung e.V. diskutieren das Verhältnis Bundeswehr – Wehrmacht und die Ausstellungskonzeption.
| Bundeswehr |
Bericht
Tobias Pflüger
Bericht vom European Peace Congress – Osnabrück ′98
Vom 29. bis 31. Mai fand in Osnabrück der »European Peace Congress ′98« statt. Annähernd 1.000 TeilnehmerInnen – schwerpunktmäßig aus Deutschland, aber auch aus vielen anderen europäischen Ländern – diskutierten in zahlreichen Foren u.a. zu folgenden Themen:
| Friedensbewegung |