Editorial
Jürgen Nieth
Editorial
Wir leben im Zeitalter der Medien. Das Grauen des Krieges erreicht uns per Satellit – aber wieviel davon nehmen wir wirklich wahr, wie reagieren wir, wann werden wir selbst aktiv? Fast 200 Kriege seit 1945, weit mehr bewaffnete Konflikte. In den letzten dreißig Jahren sank die Zahl der weltweit registrierten Kriege nicht unter fünfundzwanzig, bis vor kurzem mit jährlich ansteigender Tendenz. Doch die große Mehrheit dieser Kriege ließ die ganz große Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land seltsam unberührt.
| Friedensbewegung |
Gastkommentar
Astrid Albrecht-Heide
Die Legende vom saub′ren Soldaten
Eine offenbar allzu kurzatmige Irritation wurde durch Soldaten in Hammelburg ausgelöst. Der Flut-Katastropheneinsatz an Oder und Neiße legt sich danach rasch wie ein ziviler Heldenmantel über die gesamte Truppe. Dabei gilt es Irritation und Entsetzen wachzuhalten. Als die Videos über Scheinhinrichtungen und -vergewaltigungen bekannt wurden, waren Zeitungs- und Kommentarüberschriften selbst in gemeinhin demokratisch aufmerksameren und sensibleren Blättern, wie etwa der »Frankfurter Rundschau« eher im Wortsinne »daneben«. Dort war z.B. zu lesen: „Ein kleines bißchen Horrorshow″ (8.7.97) oder „Der Video-Skandal″ (9.7.97). Gewollt oder ungewollt wird mit solchen Formulierungen skandalisiert und entwirklicht zugleich. Die virtuelle Realität läßt grüßen; denn die Wirklichkeit des gewaltsamen »Spiels« wird gleichsam aus dem Blick geräumt.
| Bundeswehr | Militär und Gesellsch. |
Bonner Notizen
Jürgen Nieth
Bonner Notizen 3/97
Frauen in die Bundeswehr „Ich bin politisch für eine vorsichtige Öffnung der Bundeswehr auch für Frauen,″ so Verteidigungsminister Rühe am 08.08. im »Bericht aus Bonn«.
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Innerstaatliche Konflikte
Patricia Schneider & Wolfgang Schreiber & Boris Wilke
Das weltweite Kriegsgeschehen seit 1945
Statistisch-empirischer Überblick
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und bis Ende 1992 ist eine fast stetige Zunahme der weltweiten Kriegsbelastung von etwa einem laufenden Krieg pro Jahr zu beobachten.1 Bestimmte historische Ereignisse oder Perioden wie z.B. der Ost-West-Konflikt und die Dekolonisation übten nicht den ihnen oft unterstellten Einfluß auf diesen Trend aus. Anscheinend wirken sich hier längerfristige und tiefergehende Prozesse aus.
| Historische Friedensf. |
Boris Wilke
Der indo-pakistanische Konflikt und der innere Kaschmirkrieg
Mit insgesamt zwanzig nach 1945 geführten Kriegen zählt Südasien zu den am stärksten kriegsbetroffenen Regionen der Welt. Lediglich der Vordere- und Mittlere Orient weist als vergleichbare Region eine deutlich höhere Kriegsbelastung auf 1. Sieht man einmal vom Inselstaat Malediven und dem kleinen Königreich Bhutan ab, dann sind nach dem Zweiten Weltkrieg mit Indien (12 Kriege), Pakistan (6 Kriege), Bangladesch, Sri Lanka und Nepal (jeweils 2 Kriege) sowie Myanmar/Birma (Krieg seit 1948) alle südasiatischen Staaten an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen.
| Asien |
Jürgen Endres
Militanter Islamismus in Algerien und Ägypten
Das Kriegsgeschehen in Nordafrika
Die Politisierung des Islam in Form von islamistischen Organisationen ist in Ägypten durch eine relativ lange Tradition geprägt. Die im Jahr 1928 von Hassan al-Banna gegründete Muslimbruderschaft (arab. al-ikhwan al-muslimun) gilt zu Recht als erste islamistische Bewegung. Ihr Programm von 1936 umfaßte summarisch folgende Punkte: Beendigung des Parteienwesens, Einführung der islamischen sharia1, kulturelle Zensur sowie Wahrung islamischer Moralvorstellungen, Verbot von Zins und Profit und sozial orientierte Verteilung des Reichtums. Nach Jahren militanter Aktionen gegen die britische Vorherrschaft in Ägypten und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Repräsentanten des Nasser-Regimes korrigierte die Bruderschaft den von ihr verfolgten Kurs der gewaltsamen Konfrontation und beschloß einen Marsch durch die Institutionen, der sich zu einem wahren Hindernislauf entwickeln sollte.
| Afrika | Privatisierte Gewalt |
Frank Wullkopf
Die Macht der Milizen
Der Bürgerkrieg im Libanon zwischen 1975 und 1990
Der Libanon ist in den beiden vergangenen Jahrzehnten zu einem bevorzugten Schauplatz von militärischen Auseinandersetzungen zwischen regionalen und externen Akteuren geworden. Insbesondere die libanesische Zivilbevölkerung mußte im Verlauf des sich über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahre erstreckenden Bürgerkrieges einen hohen Blutzoll entrichten. Die Bilanz des libanesischen Bürgerkrieges spricht eine deutliche Sprache: 170.000 Tote, 300.000 Verwundete und 800.000 Vertriebene sind für den Zeitraum von 1975 -1990 zu beklagen (Schulze 1997: 190).
| Naher Osten |
Kiflemariam Gebrewold & Kees Kingma
Demobilisierung am Horn von Afrika
Demobilisierung am Horn von Afrika
Das Horn von Afrika hat viele Kriege und zivile Unruhen erlebt, die sich in Ausmaß, Intensität und Art unterscheiden. Äthiopien erlebte einen »dreifachen Krieg« in den letzten drei Jahrzehnten auf seinem Territorium. Militarisierung und Kriege führten zum Anschwellen der Zahl des militärischen Personals von 240.000 Anfang der 80er Jahre auf fast eine halbe Million in 1991. Nach der Machtübernahme durch Mengistu Haile Mariam (1974) führten bewaffnete Konflikte zwischen verschiedenen Oppositionsgruppen und Gegnern des Militärregimes (Derg) zu viel Blutvergießen vor allem unter den Jugendlichen und zur massiven Militarisierung der gesamten Gesellschaft. Ein bewaffnetes »Blockwartsystem« wurde im ganzen Land etabliert, mit dem Ziel, die Bevölkerung politisch zu kontrollieren.
| Afrika | Konfliktbearb./-prävention |
Hein Möllers
Wahrheit und Versöhnung
Vergangenheitsaufarbeitung in Südafrika
Alle Wahrheitskommissionen sind das Ergebnis politischer Verhandlungen und Kompromisse. Die »Truth and Reconcialiation Commission« (TRC) in Südafrika ist da keine Ausnahme. Alle Parteien waren der Meinung, daß Südafrikas Geschichte voller Konflikte und Zerissenheit war. Der einzige Weg zu einer dauerhaften verfassungsrechtlichen Lösung war ein quasi-Vertrauensvorschuß auf nationale Einheit und Versöhnung zwischen vormals verfeindeten Gruppen. Man hatte allgemein das Gefühl, daß Ermittlungen die Stabilität gefährden würden, die für eine fragile Demokratie aber notwendig war. Zum anderen wollte die Nationale Partei für sich und ihre Ausführungsorgane die Garantie, daß die neue Regierung diejenigen, die die weiße Minderheitenherrschaft verteidigt hatten, nicht verfolgen würde. In der Tat hat die Nationale Partei kategorisch jede Erlaubnis für einen Übergang zur Demokratie und freie Wahlen abgelehnt ohne diese verfassungsmäßige Garantie einer Amnestie.
| Afrika | Konfliktbearb./-prävention |
Sabine Klotz
Friedliche Konfliktregelung
Voraussetzungen für Erfolge
Gemäß der Devise »Bad news are good news« berichten die Medien eher über Kriege als über Friedensbemühungen. Im Unterschied zu Kriegen sind Friedensbemühungen oder die Verhinderung eines Kriegsausbruchs nicht spektakulär und aktionsträchtig, sondern unauffällige, bestenfalls in kleinen Schritten vorankommende Prozesse, die sich noch dazu häufig im Verborgenen abspielen. Aus diesen Gründen wird allenfalls über weltpolitisch als wichtig angesehene Friedensprozesse wie im Nahen Osten oder im ehemaligen Jugoslawien ausführlicher berichtet.
| Konfliktbearb./-prävention |
Pazifismusdebatte
Wolf-Dieter Narr
»Ziviler« Friedensdienst – »militärischer« Friedensdienst
Konkurrierende oder sich ausschließende Gegensätze?
Friedensbewegung positiv. 1989/1990, das Ende des Kalten Krieges infolge des inneren Zerfalls der Sowjetunion und ihrer Trabanten, markierte unvermeidlicherweise auch einen Richtungswandel in dem, was zuvor allzu einheitlich als »die« Friedensbewegung wahrgenommen worden war. Vor diesem Zeitkatarakt, so scheint es dem entdifferenzierenden Rückblick, gab es nur eine herrschende Nato- und RGO- Welt der wechselseitigen Wettrüster. Daraus entstand das, was der verstorbene große englische Historiker und Pazifist, E.P Thompson, den »exterminism«, die vor allem atomare Vernichtungsdynamik genannt hat. Und gegen diese zweigeteilte, waffenstarrend etablierte Welt wendete sich »die« Friedensbewegung. Ab-, statt Aufrüstung lautete deren Devise samt dem Abbau totalisierender Feindbilder.
| Zivil-milit. Zus.-arbeit | Ziviler Friedensdienst |
Rüstung und Abrüstung
Joo-Hi Lee
Südkorea rüstet auf
Neue Tendenzen in der Rüstungspolitik
Absurd scheint mir die ungebrochene weltweite Rüstung an allen Ecken des »globalen Dorfes«. In Europa ist der Erzfeind der NATO schon längst verschwunden, trotzdem erweitert sich die NATO gen Osten. Der Eurofighter findet keinen unmittelbaren Gegner, trotzdem wird er bald gebaut und an die vier europäischen Luftstreitkräfte geliefert werden. Die US-Amerikaner wollen neue Abwehrraketen entwickeln, obwohl feindliche Raketen die Vereinigten Staaten praktisch nicht mehr bedrohen. In Süd- und Ostasien herrscht kein akuter Kriegszustand, doch alle Länder beteiligen sich am Rüstungs-Wettlauf. Auf der koreanischen Halbinsel verhungern Teile der nordkoreanischen Bevölkerung, doch das südkoreanische Militär denkt in erster Linie daran weiter aufzurüsten.
| Korea (Nord und Süd) | Rüstung/R.-industrie |
Berichte
Werner Buckel
Wissenschaft in der Verantwortung – mehr als ein Ideal
Die Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften eröffnen dem Menschen große Möglichkeiten. Die praktische Anwendung ist aber oft mit beträchtlichen Risiken behaftet. Wer könnte das nach den Erfahrungen mit der Atombombe leugnen?
| Verantw. der Wiss. |
Manfred Mohr
Europa atomwaffenfrei
Konferenz auf Burg Schlaining
Burg Schaining, malerisch im österreichischen Burgenland gelegen und Sitz der Europäischen Friedensuniversität, war als Konferenzort gut gewählt. Zur Konferenz geladen hatten – neben der Friedensuniversität – folgende NGO's bzw. Bewegungen: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Internationales Friedensbüro (IPB), Internationale Juristenvereinigung gegen Atomwaffen (IALANA), Internationales Netzwerk von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren (INES), Projekt für europäische atomare Nicht-Weiterverbreitung (PENN), Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF). Der Einladung waren über 120 Teilnehmer gefolgt, die die Breite der konferenztragenden Organisationen und der europäischen Antiatomwaffenbewegung widerspiegelten. Es trafen sich Wissenschaftler, Politiker und Friedensaktivisten; häufig waren alle drei Qualitäten in einer Person vereinigt.
| A-Waffen-freie Zonen/NVV | Friedensbewegung |
Günter Emde
Solidarität mit Gewissenstätern
Zur Arbeit der Ethikschutz-Initiative
Angesichts der Risiken, die von technischen Errungenschaften ausgehen, stellt sich immer wieder die Frage: Warum ist es nicht möglich, sich auf kommende technische Neuerungen besser vorzubereiten, sie sorgfältig zu diskutieren und abzuwägen hinsichtlich ihrer Folgewirkungen auf die Gesundheit der Benutzer, auf die Natur, auf die geistige Entwicklung unserer Kinder, auf die Lebensbedingungen künftiger Generationen usw. usw. Die Rechtsgrundsätze unseres Wirtschaftssytems begünstigen es stattdessen, daß neue Produkte unter dem Gesichtspunkt hoher Gewinnerwartung konzipiert und entwickelt werden, ohne daß die betroffenen Bürger in die Diskussion einbezogen werden. Kein Wunder, daß sich Mißtrauen und Verdrossenheit gegen alle Obrigkeit ausbreitet.
| Ethik/Philosophie | Kriegsdienstverweigerung |