Kurzinfo:
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Warum brauchen unsere Demokratien einen Zukunftscheck ? Weil wir so nicht mehr lange weiterkommen. Spätestens mit den Berichten der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität besteht ein Konsens über alle Parteien hinweg, dass unsere Wirtschafts- und Lebensstilmodelle planetare Grenzen überschreiten. Der Begriff einer » Großen Transformation « unserer Gesellschaften macht seine Runde. Die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 2012 brachte eine Flut von neuen Berichten über den prekären Zustand unserer Ökosysteme mit sich. Wir wissen, dass wir tausende Lebensformen ausrotten. Wir wissen, dass wir unsere Lebensgrundlagen zerstören, vor allem die unserer Kinder und Enkel, aber oft ebenfalls die unseres zukünftigen Selbst. Andere Studien dokumentieren die unerträgliche Ungleichheit, tödliche Armut neben unermesslichem Reichtum. Wir wissen, dass Milliarden Menschen unter der Art, wie wir Entwicklung betreiben, schon heute extrem leiden. Wir wissen auch, dass Milliarden Menschen nichts oder viel zu wenig von dem so angehäuften Wohlstand abbekommen, obwohl die heutigen Mengen an Wasser, Nahrung, Kleidung etc. für alle Menschen reichen würden. Das Weltwirtschaftsforum hat die rapide wachsende Ungleichheit im Jahr 2012 zum höchsten Risiko für friedvolle Entwicklung eingestuft. Dennoch bleiben die verbindlichen Zusagen für Veränderungen rar und in der tagesaktuellen Gesetzgebung findet sich keine beherzte Kurskorrektur. Dabei sehen 96 Prozent der Deutschen Naturschutz als » Pflicht des Menschen « an, und für 93 Prozent gehört Natur zu einem » guten Leben « dazu. Deshalb wird Umweltschutz auch als Gerechtigkeitsthema gesehen, insbesondere mit Bezug auf das Recht zukünftiger Generationen auf eine intakte Natur. 80 Prozent der Deutschen geben an, dass sie sich eine neue Wirtschaftsordnung wünschen und diese neben mehr Umweltschutz eine Verminderung der Ungleichheit beinhalten soll. 70 Prozent glauben dabei nicht, dass Märkte hier die treibende Rolle spielen können. Ein klares Mandat für die Politik, oder ? Warum tun wir uns dann so schwer, kollektiv Dinge zu verändern, die wir individuell ablehnen ? Diesem Paradoxon stellt sich dieses Buch. Weder Regierungen noch mächtige Konzerne sind gedankenlose Maschinen, die schlicht ihr Programm ausführen. Sie sind eine Ansammlung von denkenden und fühlenden Menschen, die ihr eigenes Leben unter den derzeit vorhandenen Bedingungen gestalten. Leider sind diese Bedingungen heute durch institutionelle Pfadabhängigkeiten, kulturelle Leitbilder und soziale Prozesse gekennzeichnet, die eine Abkehr von den nicht zukunftsfähigen Trends schwer machen. Insbesondere Unternehmensstrukturen eines Verdrängungswettbewerbs, gemessen in Quartalsberichten, und kurze Wahlzyklen im Parteienkampf machen Langzeitfokus und strukturelle Transformationen zu unwahrscheinlichen Ausnahmen: Kurzfristige Kosten für Shareholder, Kunden, Lobbyklientel oder Wähler bedrohen die eigene Zukunftsfähigkeit. Die generelle Unterstützung von Umweltschutz bringt noch keine Zustimmung zu konkret ausgestalteten Maßnahmen, die individuelle Einschränkungen deutlich machen. Besonders nicht, wenn die Verteilung von Lasten und Vorteilen ungerecht erscheint. Was sind also gute Interventionen, um Worte in Taten umzusetzen ? Wie verständigen wir uns darüber, welche heutigen Anpassungen am besten dem morgigen Wohlergehen dienen ? Wie können wir die kulturelle, ökonomische und strukturelle Kurzsichtigkeit einhegen und ihr in unserer Marktdemokratie Paroli bieten ? Wie können Verfechter mächtiger Eigeninteressen von Veränderungen und fairer Lastenverteilung überzeugt werden ? Welche Mechanismen braucht es dann, um politische Langfrist-Ziele auch einzuhalten ? Welche Rolle spielen Zivilgesellschaft und Wirtschaft in diesem Zusammenhang ? Diese Diskussion möchten wir in Deutschland führen. Wir freuen uns auf die Rückmeldungen zu den Beiträgen in diesem Buch und danken Herrn Prof. Dr. Bernward Gesang herzlich für die Koordination des Bandes.
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Inhaltsverzeichnis :
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Mitwirkende Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorwort der mitwirkenden Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Bernward Gesang Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Problemanalyse und Überblick ,Bernward Gesang Demokratie am Scheideweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Neue Institutionen: Zukunftsräte, Hans Joachim Schellnhuber (Interview) » Eine Idee wäre, dass man im Parlament eine bestimmte Anzahl von Sitzen vorhält für Menschen als Anwälte künftiger Generationen. « . . . . . . 41 Tine Stein Zum Problem der Zukunftsfähigkeit der Demokratie . . . . . . . . . . . . 47 Neue Institutionen: Ombudspersonen Sandor Fülöp Die Rechte, Pflichten und Tätigkeiten des ungarischen Parlamentsbeauftragten für zukünftige Generationen1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Hermann Ott (Interview) » Den zukünftigen Generationen eine Stimme zu geben, bedeutet mehr Basis einzubinden, eine Basis, die sonst nicht gehört werden kann. « . . . . 85 Maja Göpel Ombudspersonen für zukünftige Generationen: Diktatoren oder Bürgervertreter ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Ergänzungen und Alternativen: A) Ein Weltgerichtshof Dieter Birnbacher Ein Weltgerichtshof für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Ergänzungen und Alternativen: B) Mehr Bürgerbeteiligung Heiner Geißler (Interview) » Die politische Partei wird in Zukunft mehrheitsfähig sein, die Bürgerbeteiligung als demokratisches Zukunftsmodell vorschlägt. « . 123 Ilija Trojanow (Interview) » Mehr Basisdemokratie und ein Mentalitätswechsel müssen Hand in Hand gehen. « . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Ergänzungen und Alternativen: C) Hoffnung auf die Dynamik der Verhandlungsrealitäten Hans-Jochen Luhmann Demokratie im Mehrebenensystem. Erfolge und Misserfolge einer Politik zum Schutz globaler natürlicher Gemeinschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Ombudspersonen in Unternehmen ? Michael Otto Verantwortung und ökonomisches Kalkül. Was die Wirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung leisten kann und muss . . . . . . 155 Liste der mitwirkenden Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . 161
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