Die Preise sollen die ökologische Wahrheit sagen. Aber auch die massive Ungleichverteilung der Vermögen und Einkommen ruft nach einer anderen Finanzpolitik. Helfen Ökosteuern, Niedrigzinsen oder Subventionsabbau?
Editorial
Wer die Umwelt zerstört, wird belohnt. Solange das so bleibt, wird es keine ökologische Transformation geben. Auch für die soziale Seite der Transformation brauchen wir grundlegende finanzpolitische Reformen.
Text: Damian Ludewig, FÖS
Finanzdebatten haben gerade wieder Konjunktur: Von der Griechenland-Krise über die Diskussion um die Atomrückstellungen bis zum niedrigen Ölpreis – finanzielle Fragen sind von enormer Wichtigkeit für unser Leben. Auch die Klimaverhandlungen in Paris werden wieder zeigen: Ans Eingemachte geht es, wenn es ums Geld geht. Die Frage nach den Finanzen ist nicht weniger wichtig als die Frage danach, was wir zu welchen Konditionen wie produzieren und wer davon wie viel bekommt.
Grund genug, den Finanzfragen eine eigene movum-Ausgabe zu widmen. Denn es wird weder eine ökologische noch eine soziale und schon gar keine sozial-ökologische Transformation geben, wenn sie nicht durch grundlegende finanzpolitische Reformen begleitet und vorangetrieben wird.
Heute wird immer noch derjenige finanziell belohnt, der sich unökologisch verhält: Ökologische Lebensmittel sind teurer als Lebensmittel aus Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft. Eine Urlaubsreise mit der Bahn ist meist um ein Vielfaches teurer als eine Flugreise. Die Preise sagen nicht die ökologische Wahrheit. Dadurch bleibt die ökologische Transformation bisher überwiegend auf Nischen besonderer Zahlungsbereitschaft oder besonderen Engagements begrenzt.
Auch für die soziale Seite der Transformation brauchen wir eine andere Finanzpolitik. Die massive Ungleichverteilung der Vermögen und Einkommen in Deutschland ruft nach finanzpolitischen Antworten. Die derzeit diskutierte Reform der Erbschaftssteuer liefert sie definitiv nicht.
Angemessene Preise für Naturgüter
Der Kampf um eine angemessene Entlohnung der menschlichen Arbeitskraft dauert seit mindestens 200 Jahren an – der Mindestlohn war in diesem Zusammenhang eine späte Errungenschaft in Deutschland. Der Kampf um angemessene Preise für Naturgüter steht noch ganz am Anfang. Solange weniger als fünf Prozent der Staatseinnahmen durch Steuern und Abgaben auf Naturverbrauch erzielt werden, kann es mit einer angemessenen Bepreisung von Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung nicht weit her sein. Gleiches gilt für umweltschädliche Subventionen, die in Deutschland mit jährlich über 50 Milliarden Euro nach wie vor höher sind als die Ausgaben für Umweltschutz. Wie soll da eine ökologische Transformation gelingen?
Beim Vorzeigeprojekt Energiewende ging es in dem Moment in großen Schritten voran, als finanzielle Anreize gesetzt wurden: mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde eine Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Quellen eingeführt. Die zweite Säule der Energiewende steht noch aus: die Reduktion von Treibhausgasen durch die Drosselung der Kohleverstromung und die massive Steigerung der Energieeffizienz. Dazu wären wiederum Preissignale – etwa durch eine CO2-Steuer – ein wichtiger Beitrag. Stattdessen sind die Weltmarktpreise für Rohöl auf einem Tiefststand, die Zertifikate-Preise im EU-Emissionshandel im Keller und der Umweltsteuer-Anteil in Deutschland so hoch wie vor der ökologischen Steuerreform. Wenn aber Kohle, Heizöl und Benzin so günstig sind wie jetzt, lohnt es sich kaum in Energieeffizienz zu investieren.
Die Bürger sind weiter als die Politik
Zum Glück gibt es anderswo Fortschritte: Der Aufwind für die Divestment-Bewegung lässt hoffen, dass immer mehr Geldanlagen öffentlicher Institutionen aus dem fossilen Sektor abgezogen werden. Alternative Banken gewinnen Marktanteile und ermöglichen jedem Einzelnen eine persönliche ökologisch-soziale Transformation seiner Geldangelegenheiten. Regionalwährungen öffnen Spielräume jenseits der zinsbasierten Zentralbank-Währung und könnten Vorboten einer Geldwende werden. All diese Beispiele machen deutlich: Die Bevölkerung ist schon weiter als die Politik. Hoffen wir also, dass sich auch die Politik bald bewegt, um die vielen Herausforderungen anzugehen – Gelegenheitsfenster gibt es dafür gerade reichlich!
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Die Idee, dass Geld sich immer weiter vermehrt, widerspricht den Erkenntnissen über die Grenzen des Wachstums. (Foto: Ervins Strauhmanis/Flickr)
Damian Ludewig war von 2008 bis 2015 Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Er ist Mitglied im Vorstand der Extractive Industries Transparency Initiative Deutschland und im Kuratorium des Instituts Solidarische Moderne
(Quelle: http://www.movum.info/themen/finanzpolitik/264-editorial)