Kurzinfo:
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1.Konsumentscheidungen bei Lebensmitteln: Bestimmungsfaktoren Welche Merkmale führen dazu, daß ein Verbraucher ein Produkt annimmt oder ablehnt? (Preis, Aussehen inclusive Verpackung, Zubereitungszustand, emotionale Beziehung zu einem Produkt, Inhaltsstoffe) Wie ist die Gewichtung dieser Merkmale? In welcher Beziehung stehen die Merkmale zueinander? (In welchem Umfang ist der Verbraucher bereit, für ein Produkt, das seinen Vorstellungen entspricht, auch mehr zu bezahlen? Konsumentenentscheidungen kann man nach dem Grad ihrer kognitiven Kontrolle in extensive (rationale), vereinfachte (limitierte), gewohnheitsmäßige (habituelle) und Impuls-(reizgesteuerte) Entscheidungen unterteilen. Welcher Entscheidungstyp vorherrscht, ist produkt- , personen- und situationsabhängig. Lebensmittel werden als Güter des täglichen Bedarfs überwiegend habituell oder im Rahmen von Impulsentscheidungen, d.h. mit relativ geringer kognitiver Beteiligung gekauft. Der Kaufentscheid vollzieht sich in einer Situation allgemeiner Informationsüberlastung der Konsumenten. Einem ständig wachsenden Informationsangebot steht die begrenzte Informationsverarbeitungskapazität des Menschen gegenüber. Nur ein sehr kleiner Anteil der angebotenen Informationen kann verarbeitet werden. Die Anbieter von Informationen stoßen dabei auf eine starke Beachtungskonkurrenz und haben es außerdem mit Konsumenten zu tun, deren Informationsaufnahme in der Regel nicht aktiv, sondern weitgehend passiv erfolgt. Unter diesen Bedingungen ist die Aufnahme und Verarbeitung von Produktinformationen zwangsläufig selektiv und subjektiv. Bevorzugt wahrgenommen werden Informationen, die aktivieren, relevant, angenehm und leicht zu verarbeiten sind. Hierbei spielt die Verwendung von Schlüsselinformationen eine große Rolle: Informationen, die zueinander in Beziehung stehen, werden im Gedächtnis gemeinsam gespeichert. Nimmt der Konsument eine dieser Informationen wahr, so werden zugleich die assozierten Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen. Er schließt also von einer Information, der Schlüsselinformation, auf andere, wodurch der Wahrnehmungsprozess einerseits vereinfacht, andererseits aber auch verzerrt wird. Bei der Beurteilung von Produkten dienen als Schlüsselinformationen u.a. die äußere Qualität (Farbe, Aussehen), der Preis, Expertenurteile, Testergebnisse und vor allem Markenzeichen. Im mündlichen Vortrag werden die Ergebnisse einiger empirischer Untersuchungen über die Relevanz von Produktmerkmalen für den Kaufentscheid bei ausgewählten Nahrungsmitteln vorgestellt, ebenso über die Bereitschaft zur Zahlung höherer Preise für bestimmte Produktmerkmale. Die Ergebnisse einer speziellen Untersuchung für Ökoprodukte befindensich im Anhang 2. 2. Risikowahrnehmung bei Lebensmitteln Wie werden Gefahren, die von Lebensmitteln ausgehen, vom Verbraucher eingeschätzt? Die Wahrnehmung von Risiken durch Laien unterliegt Verzerrungen, die bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgen. Während Experten allein die Wahrscheinlichkeiten und das Schadensausmaß bewerten, gehen in die Risikobewertung von Laien einige weitere Risikomerkmale ein, z.B. die Risikoquelle (bekannt-unbekannt, antropogen-natürlich), die Exposition (freiwillig-unfreiwillig), die Schadensart (Schrecklichkeit, Betroffenheit) und das Risikomanagement (Kontrollierbarkeit). Je nach Art der Risikomerkmale kommt es zu einer systematischen Über- und Unterschätzung von Risiken. Diese Ergebnisse der allgemeinen Risikopsychologie lassen sich auch auf die Risikowahrnehmung bei Lebensmitteln übertragen. Risiken, die mit dem Verzehr von Lebensmitteln zusammenhängen, sind in der Regel unfreiwillige, unbekannte, antropogene, mitunter auch schwer kontrollierbare und schreckliche Risiken (z.B. BSE). Auf diese Weise lassen sich Befunde empirischer Analysen erklären, wonach BSE für gefährlicher angesehen wird als das Rauchen und Schweinepest für gefährlicher als der Straßenverkehr. Tendenziell werden Risiken, die durch das eigene Konsumverhalten (z.B. falsche Ernährung, Rauchen) entstehen, unterschätzt („unrealistic optimism″) und Risiken, die durch Umweltkontaminanten, Tierkrankheiten oder neue Technologien verursacht werden, überschätzt 3. Bewertungsgrundlagen der Verbraucher Auf welcher Basis erfolgt die Bewertung eines Lebensmittels durch den Verbraucher? Wie groß ist der Einfluß von Sachinformationen auf die Bewertung und welche Rolle spielen Emotionen? Eine wichtige Grundlage zur Beantwortung dieser Frage ist das „Elaboration Likelihood-Modell″ von Petty/Cacioppo (1986). Darin wird je nach dem kognitiven Aufwand zwischeneinem zentralen und peripheren Weg der Informationsverarbeitung unterschieden. Bei starkem Involvement, das u.a. von der Relevanz der Information für den Verbraucher, seinem Orientierungsbedarf und seiner Fähigkeit der Informationsverarbeitung abhängt, wird der zentrale Weg mit hohem kognitiven Aufwand gewählt. In solchen Fällen kann man den Verbraucher mit Sachinformationen (z.B. Risikovergleiche, Aufklärung über Prozessqualitäten) erreichen. Bei geringerem Involvement erfolgt die Informationsverarbeitung dagegen ohne großem kognitiven Aufwand über den peripheren Weg. In diesen Fällen hängt die Produktwahrnehmung stärker von der Glaubwürdigkeit und Attraktivität des Kommunikators, von weiteren emotionalen Schlüsselreizen und von der Zahl der Wiederholungen der Botschaft ab. Dagegen hat die Qualität der Sachinformationen eine geringere Bedeutung. Es ist anzunehmen, daß ein großer Teil der Konsumenten die Informationen über Lebensmittel in erster Linie nur auf dem peripheren Weg verarbeitet bzw. verarbeiten kann. Dementsprechend stoßen Sachinformationen sehr schnell an ihre Grenzen. Beeinflussungserfolge lassen sich dann vor allem durch den Einsatz glaubwürdiger und attraktiver Kommunikatoren und/oder durch Verwendung emotionaler Informationen unddurch häufige Wiederholungen der Botschaft erzielen. 4. Kommunikationsprobleme Wie kann man einem Verbraucher „neue″ Qualitätsmerkmale verständlich und emotional zugänglich machen? Reichen sie aus, um das Verbrauchervertrauen wieder herzustellen, oder sind weitere Maßnahmen erforderlich? Qualitätssicherungssysteme sind nützliche Instrumente zur Rationalisierung der gesamten Wertschöpfungskette und zur Minderung des Risikos der Anbieter, in die negativen Schlagzeilen zu geraten. Allerdings ist ihre Einführung und weitere Verbesserung nur eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die Schaffung von Verbrauchervertrauen. (v. Alvensleben/Mahlau, 1998) Ein wesentlicher Grund hierfür ist das Kommunikationsproblem: Prozessqualität kann nur dann auf die Verbraucher wirken, wenn deren wesentlichen Elemente dem Verbraucher auch erklärt werden können. Dies ist in unserer informationsüberlasteten Gesellschaft äußerst schwierig. Informative Werbung, die „über den Kopf″ wirken soll, geht in der starken Beachtungskonkurrenz unter und ist deshalb zumeist wirkungslos. Demzufolge ist die informative Werbung weitgehend durch die emotionale Werbung abgelöst worden. Bei der großen Mehrzahl der Konsumenten geht die Bildung von Präferenzen und Vertrauen nicht „über den Kopf″, sondern „über den Bauch″. Wer sein Angebot über die Produkt- oder Prozessqualität von der Konkurrenz abheben möchte, wird vor allem dann erfolgreich sein, wenn er es auch emotional positioniert, d.h. sich über die „emotionale Qualität″ differenziert. Dies ist die wesentliche Strategie der erfolgreichen Markenartikler. Diese tun viel für die Qualitätssicherung, aber sie reden wenig darüber: In der Kommunikation setzen sie hauptsächlich auf die emotionale Positionierung ihrer Produkte. Ein Beispiel, in dem es gelungen ist, die andere Prozessqualität mit einer besonderen emotionalen Qualität auszustatten, sind die Ökoprodukte: Der Tatbestand, daß sie ohne Einsatz von Agrarchemie erzeugt werden, führt zu der Annahme, daß sie besonders sicher und gesund seien. Objektiv sind die Unterschiede zur Standardware kaum feststellbar. Subjektiv haben sie für viele Verbraucher eine besondere Qualität, die mit einem Mehrpreis honoriert wird. Dies gilt für viele Produkte, die mit emotionalen Qualitäten ausgestattet sind: Viele Verbraucher sind bereit, hierfür höhere Preise zu bezahlen. Zugleich offenbart sich ein Dilemma: Wenn man Produkte anbieten will, die besondere Ansprüche bezüglich ihrer Sicherheit und/oder bezüglich der Nachhaltigkeit und den ethischen Aspekten ihrer Produktionsprozesse erfüllen, stößt man auf oft unüberwindbare Kommunikationsprobleme. Dagegen erreichen Produktionsprozesse, deren Eigenschaften leicht kommunizierbar sind (z.B. „Ohne Chemie″, „Freilanderzeugung″, „aus der Region″), die Ziele der Sicherheit oder Nachhaltigkeit nicht in bestmöglicher Weise. Unter Umständen werden die Verbraucher sogar in die Irre geführt. Das Dilemma läßt sich vereinfachend auf eine Kurzformel zu bringen: Was nachhaltig ist, ist nicht kommunizierbar. Was kommunizierbar ist, ist nicht nachhaltig. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist, daß grundsätzlich der Staat die Standards für eine sichere, nachhaltige und ethisch vertretbare Produktion auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse festlegt und kontrolliert, da der Verbraucher in der Regel überfordert ist, diese Standards zu beurteilen (siehe Punkt 6 des Ergebnisprotokolls der Konferenz von Uppsala) und Gefahr läuft, durch die zwangsläufig emotionale Kommunikation der Anbieter irregeführt zu werden.
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