Editorial
Dem Erwerb von geistigen, körperlichen und sozialen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, also kurz: dem Lernen, kommt eine immer höhere Bedeutung zu. Individuell, um Grundlagen zu bekommen, sich in der modernen "Wissensgesellschaft" zu positionieren und die eigene Persönlich-keit entfalten zu können und kollektiv, um gesellschaftliche Entwicklungen reflektieren und beeinflussen zu können.
Die Bedingungen, unter denen wir lernen, verändern sich rasant und scheinbar immer schneller. Es entstehen Bilder von "schönen neuen Lernwelten", die sich auf mehreren Ebenen fundamental vom Bildungssystem früherer Jahre unterscheiden.
Dies betrifft strukturell vor allem die Hochschulebene mit der neoliberalen Ausrichtung auf unternehmerische Prinzipien und der Umsetzung der Bologna-Kriterien.
Methodik und Didaktik haben im Bildungsbereich eine Vielfalt erreicht, die im autoritären Frontalunterricht früherer Tage unvorstellbar schien. Rollenverständnisse zwischen Lehrenden und Ler-nenden mischen sich; im Prozess des gesellschaftlich erwünschten "Lebenslangen Lernen" spielen auch Altersunterschiede keine Rolle (mehr) - oft sind Ältere hierbei die Lernenden.
Besonders deutlich spürbar sind aber die technologischen Veränderungen. Die digitale Revolution hat längst auch den Bildungs- und Wissenschaftsbereich erreicht. E-Learning heißt das neue Stichwort. Das Internet ermöglicht neue Zugänge zu Bildungsmaterialien, immer mehr Lehrveranstaltungen finden online statt. Doch wie groß sind die damit verbundenen Chancen für eine emanzipatorische und niedrigschwellige Bildungspolitik? Welche Risiken liegen etwa im Konzept der Open Education? Zu fragen ist auch nach den sozialen Veränderungen, die mit den "neuen Lernwelten" einhergehen. Wer hat überhaupt Zugang dazu, welche gesellschaftlichen Gruppen bleiben ausgeschlossen? Und wie wirken sich hier (und nicht nur begrenzt auf das digitale Feld) gesellschaftliche Debatten über "bil-dungsferne Schichten" aus?
Die digitale Bildungsrevolution wird weitergehen und die damit verbundenen Chancen und Risiken bedürfen kritischer Reflexion. Wir hoffen, mit den Beiträgen in diesem Heft Anstöße zur Diskussion zu liefern.
Für die Mitarbeit an diesem Themenschwerpunkt danken wir allen Autor_innen.
Die nächste Ausgabe von Forum Wissenschaft erscheint im März. In gewisser Hinsicht knüpft der geplante Themenschwerpunkt an die "schönen neuen Lernwelten" an. Mit dem Blick auf die "Hochschularchitektur " wollen wir die unterschiedlichen Lernräume analysieren. Artikelvorschläge und -angebote nehmen wir gern entgegen. Redaktionsschluss ist der 2. Februar.