Kurzinfo:
|
ALLE MACHT DEM VOLKE Historische und gegenwärtige politische, soziale und ökonomische Kämpfe sind sehr oft mit Slogans verbunden. Auch Jingles, Mottos oder Wahlsprüche genannt, spielen sie eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen, unter denen Millionen von Menschen auf der ganzen Welt leiden müssen. Slogans mobilisieren und organisieren nicht nur die Menschen, sondern bieten ihnen die Möglichkeit, für ein gemeinsames Ziel zu demonstrieren. Sloganeering hilft, gemeinsames Denken und Handeln aufzubauen. Es gibt unübersehbare Hinweise, dass Völker, Organisationen und Gruppen viele Ziele mehr erreichen können, würden sie nur an ihre individuelle und kollektive Kraft glauben. Es kann keinesfalls behauptet werden, dass arme, einfache oder Not leidende Menschen irgendwo in der Welt von vornherein machtlos sind. Ganz im Gegenteil; wann immer so etwas wie eine gemeinsame Initiative nötig ist, um die Gesellschaft zum Besseren zu verändern, kommt diese meist von den armen, einfachen oder Not leidenden Menschen, die einerseits an sich denken, andererseits aber auch zusammen arbeiten um ein gemeinsames Projekt zu verfolgen und zu verwirklichen. Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass Kämpfe für politische, soziale und ökonomische Verbesserungen von Beginn an durch die aktive Teilnahme von armen, einfachen und Not leidenden Menschen getragen und charakterisiert werden. Sie befreien sich selbst und verlassen sich auf sich, ohne jedoch die reichen, gut gebildeten oder wohlhabenden Menschen dabei auszugrenzen. Der viel beachtete langwierige Freiheitskampf in Südafrika wie auch andere Revolutionen in Afrika und dem Rest der Welt haben einen Großteil der weltweit bekannten politischen Slogans hervor gebracht. Vielen populären Slogans, die während des Freiheitskampfes gegen die koloniale Apartheid-Politik gerufen wurden, liegt der Gedanke zu Grunde, dass »das Volk regieren soll«. Diese Idee wurde in der berühmten Freiheitscharta von Kliptown, Südafrika am 26. Juni 1955 fest verankert. Die Freiheitscharta ist eine politische Erklärung über die grundlegenden Bedürfnisse der Mehrheit der Südafrikaner, die durch die South African Congress Alliance repräsentiert wird, ein Zusammenschluss, der den African National Congress (ANC) und seine Bündnispartner wie den South African Indian Congress, den South Congress of Democrats und den Coloured People′s Congress umfasst. Es gibt viele Wahlsprüche, die sich auf die Ideen dieser Organisationen beziehen. Der Slogan »Alle Macht dem Volke« ist die Kehrseite von »Das Volk soll regieren«. Sie sind wie die zwei Seiten einer Medaille. Südafrikaner machen sich oft dadurch bemerkbar, dass sie »Viva« rufen, einen eher politisch motivierten Ruf, oder »Hola«, das eher eine soziale Bedeutung besitzt und benutzt wird, um eine Menschenmenge zu begrüßen. Es kann viele Gründe geben, weswegen »Viva«, »Hola« oder »Heita« oder ein anderer Slogan gerufen wird. Der Hauptgrund jedoch ist, dass man sich selbst bestätigt, indem man die Anwesenheit und Macht der Menschen, zu denen gesprochen wird, bestätigt. Außerdem bekräftigt man die Botschaft, die man übermittelt und motiviert zu gemeinsamen Denken und Handeln. Geschichtlich betrachtet gehört es zur afrikanischen Kultur, gegenseitige Vertrautheit zu scha..en, in dem man etwas ausruft, das die Not und das Leid des Gegenübers mildert oder die Distanz zwischen den Menschen verringert. Durch den Gruß »Pula« (was »Regen« in den afrikanischen Sprachen Setswana, Sesotho und Sepedi bedeutet) wünschten und beteten Afrikaner für Regen; der Gruß forderte alle auf, ihre Hoffnung und ihr Vertrauen nicht auf zu geben, dass es eines Tages tatsächlich regnen möge. Generationen von afrikanischen Völkern waren stark auf den Regen angewiesen, der ihnen erst die Landwirtschaft ermöglichte. In schwierigen Tagen der Dürre und des Hungers, aber auch in den freudvollen Tagen der Ernte riefen sie den Slogan »Möge der Regen fallen« aus. In genau diesem Sinne wurde auch der Slogan »Alle Macht dem Volke« bereits vor dem Ende der Apartheid 1994 ausgerufen, besitzt aber auch in den Zeiten der Demokratie immer noch seine Relevanz. Slogans stehen also sowohl für gute als auch für schlechte Zeiten in der Geschichtsschreibung, und gelten, solange sie ein gemeinsam zu erreichendes oder erreichtes Ziel beschreiben. Sloganeering ist daher eine besondere afrikanische Art oder Kultur, die Menschen dazu mobilisiert, gemeinsam zu denken und zusammen zu handeln um die Welt zu verändern, Armut aus zu merzen oder Demokratie zu erreichen. Slogans sind allerdings nicht etwas exklusiv (Süd-)Afrikanisches. Es kann lediglich sein, dass in Afrika Slogans öfter als Teil der menschlichen Interaktion benutzt werden als anderswo in der Welt. Immer häufiger ..nden sich Slogans und Wahlsprüche auch in der Welt der Wirtschaft. Sie sind ein immer wichtigerer Teil der Tagespolitik, des gesellschaftlichen Miteinanders und sie charakterisieren immer wieder auch Musik und Kunst. Der Slogan »alle Macht dem Volke« versucht, das fundamentale Prinzip der Demokratie, dass das Volk oder die ....entlichkeit in Zeiten der Not ihre eigenen Befreier und ihre eigene Regierung sein müssen, in das Bewusstsein der ....entlichkeit zu verankern. Es geht um Selbstbefreiung und Selbstbestimmung. Daher dient der Slogan weiterhin dazu, die Art der am Menschen orientierten Demokratisierung und in gleicher Weise eine Art von durch Menschen bestimmte nachhaltige Entwicklung zu charakterisieren. Diese Worte zur Wichtigkeit von Wahlsprüchen im Allgemeinen und politischen Slogans im Besonderen sollen hauptsächlich dazu dienen, einen Beitrag zum Diskurs über die Wichtigkeit der Macht des Volkes zur Armutsbekämpfung zu leisten. Im Zentrum stehen zwei wichtige miteinander verbundene Fragen: Was muss aus Freiheitskämpfen gelernt werden? Und was muss getan werden, um Armut zu beseitigen? Es ist wichtig anzumerken, dass jede legitimierte Regierung dieser Welt sein Volk im komplexen Prozess der Entwicklung und Umsetzung von Politik braucht. Ohne das Volk, das eine aktive Rolle in der Selbstbestimmung und in der Demokratie einnimmt, gibt es keine nachhaltige Entwicklung. Dieses Lern- und Lesebuch enthält einzigartige Einsichten aus verschiedenen Teilen der Welt und charakterisiert Erfahrungen aus dem Leben von Menschen, die zeigen, was individuell und gemeinschaftlich getan werden kann, um die eigene Situation zu verbessern. Der Fokus auf unterschiedliche Themen ermöglicht interessante Entdeckungen und regt an, diese Erkenntnisse auf neue und bestehende Projekte anzuwenden. Es sind die Anstrengungen aller, die im Kampf gegen Armut zählen, so wie auch im Befreiungskampf der südafrikanischen Bevölkerung individuelle und kollektive Anstrengungen unterschiedlicher Kräfte aus aller Welt den Kampf voran brachten. Dieses Buch ist nicht einfach eine Sammlung von Geschichten, sondern vermittelt einzigartige menschliche Erfahrungen. Dieses Buch ist das Ergebnis eines einjährigen Lern- und Entdeckungsprozess. Es ..ng mit einer internationalen Konferenz in Pretoria, Südafrika im Februar 2010 an. Auf dieser Konferenz suchten sich die teilnehmenden Delegationen aus unterschiedlichsten Ländern und auch aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten einen speziellen Fokus oder besondere Themen, die später in den verschiedenen Kapiteln dargestellt werden. In ihrer Heimat versuchten die Teilnehmenden, mit den neuen Eindrücken weiter an diesen Themen zu arbeiten. Sie banden die Gemeinschaft ihrer Heimat mit ein um eine weit gefasste Frage zu beantworten: wie können wir vermitteln, lernen, Armut bekämpfen und eine nachhaltige Entwicklung und Demokratisierung dort erreichen, wo wir leben? Wie können wir einen Ein..uss auf andere Gemeinschaften haben? Der Gedanke, durch Bildung Armut zu verringern, ist der rote Faden, an dem sich die weiteren Themen orientieren. Ganz normale Menschen können viel bewegen, im Kleinen oder im Großen, je nach ihrer individuellen oder kollektiven Stärke. Sie können eine Befreiung auslösen, die zunächst die lokale Gemeinschaft verändert, sich später aber auch auf andere Länder der Welt auswirkt. Es ist sehr wichtig anzuerkennen, dass jeder Kampf gegen Armut in jedem Teil der Welt letztendlich erfolgreich sein kann, solange sich einfache Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft zusammentun und gemeinsam denken und handeln. In ihrer gemeinsamen Anstrengung müssen sie auch bereit sein, zu teilen, zu lernen und zu erforschen. Dies müssen sie mit anderen Menschen in dieser sich entwickelnden und demokratisch werdenden Welt tun. Armut kann nie als eine isolierte Herausforderung betrachtet werden; sie ist mit anderen sozialen Missständen verbunden, die das Leben der Menschen überall vernichtet, ohne Grenzen, Ethnien, Geschlechter und Generationen zu kennen oder zu unterscheiden. Daher versuchen wir mit diesem Buch, Inspiration und Anstoß zu geben, den Wahlspruch »alle Macht dem Volke« im wahrsten und weitesten Sinne zu bestärken. Es ist ein politischer Slogan der ersten Stunde, der etwas über die Kraft der Menschen zu nachhaltiger Entwicklungen und Demokratisierung überall in unserer faszinierenden Welt aussagt. Vielleicht können solch progressive Slogans Teil unseres Denken und Handelns zur Beseitigung von Armut werden. Und vielleicht ist eine noch fortschrittlichere Idee, dass durch selbstbewusstes Denken und Handeln das Volk seine individuellen und kollektiven Fähigkeiten nutzen muss, um die Demokratie zu beein..ussen und um den nötigen Wandel in der Gesellschaft zu entwickeln. Wir brauchen nicht nur Slogans, sondern Slogans, die die Kraft der Masse von Menschen bestärken. Armut ist und bleibt die größte Herausforderung der Menschheit des 21. Jahrhunderts. Welche Bemühungen auch immer dazu dienen, diese Pandemie zu beseitigen, sie müssen diejenigen, die in Armut leben darin bestätigen, dass sie in der Lage sind, sich selbst und andere zu befreien, indem sie ihre eigene individuelle und kollektive Kraft nutzen.
|