Quelle: sieh digitales Dokument
Eine vitale und zukunftsfähige demokratische Gesellschaft braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger.
Demokratische Werthaltungen sowie die Bereitschaft, in zentralen Fragen Stellung zu beziehen
und gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen, sind kein naturwüchsig gegebenes Gut.
Jede Generation muss stets aufs Neue für Demokratie und zivilgesellschaftliches Engagement gewonnen
werden. Kindern und Jugendlichen die Gestaltungs- und Mitwirkungsspielräume der Demokratie
aufzuzeigen und sie zu unterstützen, sich diese handelnd zu erschließen, muss daher ein zentrales
Bildungsziel von Schulen sein.
Aktive Bürgerschaft ist dabei weit mehr, als vom passiven Wahlrecht Gebrauch zu machen oder
sich für eine Partei einzusetzen. Sie erstreckt sich über ein weites Spektrum unterschiedlicher Formen,
das die freiwillige Tätigkeit im Sportverein oder den tatkräftigen Einsatz für eine soziale Organisation
ebenso einschließt wie die Unterstützung einer Bürgerinitiative. Schulen sollten ihren Schülerinnen
und Schülern die Möglichkeiten bieten, sich mit dieser Vielfalt zivilgesellschaftlicher Mitwirkung auseinanderzusetzen.
Denn wir wissen, dass die Fähigkeit und Bereitschaft, sich zu engagieren, in jungen
Jahren entsteht und Bürgerbewusstsein voraussetzt. Die Vorstellungen über die politisch-gesellschaftliche
Wirklichkeit sind entscheidend dafür, ob der Einzelne die Kompetenz entwickelt, sich in einer
immer komplexer und unübersichtlicher werdenden Gesellschaft zu orientieren, Sachverhalte angemessen
zu beurteilen und Entwicklungen zu beeinflussen.
Die Verankerung der Engagementförderung in Schulen greift auch Forderungen der aktuellen
Bildungsdebatte auf. Nach der Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse im Jahr 2001 setzte in
Deutschland ein Reformprozess ein, der sich zunächst auf die Reorganisation von Schulen, eine Intensivierung
kognitiver Wissensvermittlung in Deutsch, Mathematik und den Naturwissenschaften sowie
auf die Überprüfung von Lernzielen fokussierte. Aus dem Blick rückte, dass Bildung auf den ganzen
Menschen zielt. In der Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung findet gegenwärtig eine Rückbesinnung
auf den klassischen Bildungsbegriff Humboldtscher Prägung statt. Es wird wieder anerkannt,
dass Bildung mehr als Wissen ist und junge Menschen dabei unterstützen soll, Talente und Stärken zu
entwickeln, um ihr Leben zu meistern. Dazu gehört auch, sie bei der Entfaltung politisch-demokratischer
und sozialer Handlungskompetenzen zu begleiten.
Damit Schülerinnen und Schüler sich selbst als mitverantwortliche und handlungskompetente
Mitglieder der Zivilgesellschaft begreifen, reicht es nicht aus, staatskundliches Wissen zu vermitteln.
Die für das Ausfüllen einer aktiven Bürgerrolle benötigten Kompetenzen müssen zwar gelernt werden,
können aber nicht in traditioneller Art gelehrt werden. Vielmehr ist es erforderlich, Kindern und
Jugendlichen konkrete und positive Erfahrungen mit eigenem Engagement zu ermöglichen und sie
gleichzeitig bei der Reflexion dieser Erfahrung zu unterstützen.
Durch das Lernen in lebensweltlichen Zusammenhängen steigen die Chancen für umfassende Bildungsprozesse.
Beispielhaft gesagt: Die Schülerin und der Schüler, die sich freiwillig für alte Menschen
engagieren, werden zugleich für politische Fragen des Zusammenlebens der Generationen in
einer vom demographischen Wandel geprägten Gesellschaft sensibilisiert. Wer an einem Projekt zur
Reduzierung des Energieverbrauches an seiner Schule teilnimmt, setzt sich gleichzeitig intensiv mit
Fragen der Nachhaltigkeit auseinander. Die aktive Mitwirkung, Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme
in den verschiedensten Lebensbereichen unterstützt damit zugleich die Ausbildung eines
reflektierten Bürgerbewusstseins und die Entwicklung von Fachkenntnissen.
Vor diesem Hintergrund möchte diese Publikation Lehrerinnen und Lehrern Hinweise geben, wie
junge Menschen mithilfe der Schule Zugänge zum zivilgesellschaftlichen Engagement finden können.
Ein Blick auf Schulgesetze, Richtlinien und Curricula zeigt, dass zahlreiche normative Anknüpfungspunkte
gegeben sind: Vermittlung demokratischer Wert- und Ordnungsvorstellungen, Befähigung
zum sozialen Handeln und zur politischen Beteiligung, Förderung einer mündigen und kritischen
Bürgerschaft sind zentrale bildungspolitische Zielsetzungen, die Schulen einlösen sollen. Zwar
unterscheiden sich die Formulierungen und die intendierte Reichweite in den gesetzlichen Bestimmungen,
doch ist in allen Ländern die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements normativ verankert.
Trotz dieser Vorgaben ist das Lernfeld didaktisch bislang erst unzureichend erschlossen. Diese
Veröffentlichung möchte dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Unser Kernanliegen ist es, Schülerinnen
und Schülern positive Erfahrungen mit Engagement zu ermöglichen. Die Materialien sind
deshalb den Prinzipien der Schüler-, Lebenswelt-, Problem- und Handlungsorientierung verpflichtet.
Sie beschränken sich nicht auf die Vermittlung von Wissen, sondern zielen explizit auf die Anleitung
zu eigenem Handeln.
Wir hoffen, dass das Mitmachheft hilfreich für die Arbeit mit Ihren Schülerinnen und Schülern ist.