Im Oktober 2002 fand in Köln eine Tagung statt, auf der auf Einladung des Ost-West-Kollegs der Bundeszentrale für Politische Bildung zusammen mit (•Verteterlnnen der unterschiedlichen Migrationsorganisationen und Projektil gruppen die grundsätzliche Frage eines Migrationsmuseums diskutiert wurde. C Einhellig waren alle Beteiligten der Meinung, daß „die Musealisierung der Migrationsgeschichte eine überaus berechtigte Forderung" sei. Den Grundstock für ein Deutsches Migrationsmuseum sahen die Tagungsteilnehmerinnen in 4 den seit Jahren gesammelten Artefakten und Dokumenten des Dokumentationszentrums und Museums der Migration aus der Türkei (DOMiT).
Die Vertreter des Schweizer Projekts Migrationsmuseum, die hier ihr Teilprojekt „urbane Begegnungswelt" vorstellten, hielten der Diskussion entgegen, daß ein zu starkes Gewicht auf die reine Arbeitsmigration gelegt werde, daß die Geschichte der Migration und deren Musealisierung zu dominant seien und vor allem, daß der basisdemokratische Ansatz in der Anfangsphase eher hinderlich denn aufklärend wirke.
Andererseits erfahren wir von einem Berliner interkulturellen Fotoprojekt des Netzwerkes Migration in Europa, daß Jugendliche unterschiedlicher Herkunftsländer mit der Kamera ihre Wohnviertel, Familien und Freundeskreise - ihren Kietz - dokumentierten und dergestalt erweiterte Einblicke in die Lebenswelt anderer Kulturen gewinnen konnten. Hier ist die Beteiligung „von Unten" Voraussetzung, ihre „eigene Identität in einem pluralen Europa zu reflektieren ".
Indes ist die museologische und museumspädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema Migration nicht erst seit Beginn des 21. Jahrhundert auf der Agenda. Erste Ausstellungsprojekte gehörten mitunter allein in den Zuständigkeitsbereich der Pädagogik. Erwähnt seien: „Die Türkei - Heimat von Menschen in unserem Land", igSoer Jahre, „Zum Brot sagt man Ekmek" von der Projektgruppe das lebende museum im Museum für Völkerkunde Wien, 1981, oder aus neuerer Zeit der zweijährige museumspädagogische Modellversuch des Museumsverbandes Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit Regionalmuseen. Er lief 1994-1996 und umfaßte mit Kunstaktionen, Zeitzeugengesprächen und Recherchen in den Sammlungen die breitge-fächerte Auseinandersetzung mit Fremdem und Eigenem in Geschichte und Gegenwart.
Ein Ausschnitt, gewiß, aber doch bereits Folge erster theoretischer Beschäftigung mit dem Thema in den /oer Jahren, die dann seit den 8oer Jahren zu konkreten Museumsprojekten führen sollte. Migration ist heute in der Tat ein wissenschaftliches Querschnittsthema geworden, ein komplexes und lebensweltlich relevantes Phänomen.
Deshalb erscheint nach einem ersten Standbein Spielbein-Themenheft „fremd und vertraut - Interkulturelle Museumsarbeit" vom Dezember 1996 eine Revision mit dem hier vorliegenden Themenheft Migration überfällig. Die nachfolgenden Erfahrungsberichte sind Geschichten des Beginns einer Begegnung mit dem „Fremden", wie schon weit entwickelter Netzwerke und Integrationsprojekte auf internationaler Ebene mit der Vision eines offenen Europas.
Ulrike von Gemmingen/Wolf von Wolzogen