Kurzexzerpt (GB):
Aufenanger 99 Lernen mit den neuen Medien - Perspektiven für Erziehung und Unterricht
Lange hat sich die Erziehungswissenschaft distanziert zur Medienthematik verhalten, auch die Medienpädagogik hat sich erst spät mit den konstruktiven Möglichkeiten von Computer und Internet beschäftigt. Das Feld wurde der Lernpsychologie (meist auf einer konstruktivistischen Basis) oder der Informatik überlassen. Die Medienpädagogik hat meistens einen rezipientenorientierten Ansatz eingenommen. Hier geht es aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive primär um medienanthropologischeÜberlegungen und die Frage nach den Fähigkeiten und Fertigkeiten in einer mediengeprägten Welt: Medienkompetenz.
Def.: Unter den neuen Medien werden in aller Kürze jene digitalen Medien verstanden, die Multimedialität - also die Integration unterschiedlicher Medien in einer computergestützten Präsentation - Hypertextstruktur - also einen nichtlinearen Text - sowie Interaktion und Simulation ermöglichen (computer- und netzbasierte Anwendungen)
Die neuen Medien bieten folgende Chancen:
1. Werkzeug: Textverarbeitung (einschließlich Grafiken und Hypertext), Datenbanken,...
2. Tutor zum Lernen: Multimedialität bietet hier erweiterte Möglichkeiten
3. Medienkompetenz: als Fähigkeit des Umgangs mit dem Computer (technisch, ethisch,...)
4. Kommunikation/Information: als besondere Anwendung der neuen Medien /der Computer
5. Simulation von Wirklichkeit (mit den damit verbundenen Möglichkeiten und Gefahren
6. Möglichkeit der Selbstbestimmung von Lernprozessen, der Loslösung von Raum und Zeit, der Erhöhung der Anschaulichkeit durch Multimedia
Dabei werden lernpsychologische Annahmen gemacht vom Lernen als selbstgesteuerter Prozeß, der die Eigentätigkeit des lernenden Subjekts betont. Die empirischen Ergebnisse der lernpsychologischen Forschung hinsichtlich Multimedia-Anwendungen liefern ein differenziertes Bild: Illustrationen, Bilder und Grafiken fördern das Behalten von Texten. Jedoch führt die bloße Addition unterschiedlicher Sinnessprachen (Auge, Ohr, Tasten) nicht automatisch zu einer Verbesserung von Lernprozessen, es muß die Fähigkeit der Decodierung der unterschiedlichen Symbolsysteme und Codes sowie ihrer Zusammenhänge vorhanden sein. Genau dies ist übrigens das Ziel der Medienkompetenz, die eine Art hermeneutische Kompetenz verstanden werden kann. Die anfängliche Erhöhung der Motivation flacht sich mit der Zeit ab (Neuigkeits-, Gewöhnungseffekt). Insgesamt entfalten sich die lernfördernden Potentiale der neuen Medien nicht von selbst.
Eine Medienanthropologie muß einerseits von der grundsätzlichen Offenheit des Menschen ausgehen, gleichzeitig seine historischen und gesellschaftliche Bedingtheit anerkennen. Immer wenn in der Geschichte der Menschheit neue Medien aufgetaucht sind, zeichneten sie sich durch eine ambivalente Struktur aus: Buch (Freiheit der Interpretation gegen den Klerus versus Lesefähigkeit als Vorauss.); Zeitung (Möglichkeit der polit. Information versus Manipulationsgefahr); Telefon (Aufhebung räumlicher und zeitl. Begrenzungen der Kommunikation versus Abhängigkeit von einer Technik); Radio/Fernsehen (neue Erfahrungsräume versus Freiheit von der Realität); ...
Aus der kognitiven, moralischen, sozialen, affektiven, ästhetischen und handlungsbezogenen Dimension lassen sich Dimensionen der Medienkompetenz ableiten.
Wenn die Schule die Chancen er neuen Medien nicht aufgreift, dann werden diejenigen von ihnen profitieren, die sich diese außerhalb der Schule leisten können. Medien werden in der Schule der Zukunft in zweifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle spielen: sie werden eine Kommunikationsform des Lernens darstellen (z.B. email-Projekte, Lernen mit WWW, Lernsoftware,..) und an ihnen können selbst exemplarisch diejenigen Prozesse der Allgemeinbildung initiiert werden, die zur Auseinandersetzung mit den gesellsch. Problemen (?) notwendig sind. An ihnen lassen sich Fragen der Ethik, der Wahrhaftigkeit, der Realität und Fiktion sowie von Differenzerfahrung (Multikulturalität,...) veranschaulichen und diskutieren. Die Schule wird den Lernenden diese neuen Formen zur freien Gestaltung ihrer Lernprozesse zur Verfügung stellen. Die Aufgabe der LehrerInnen wandelt sich dabei von der Wissensvermittlung zur Moderation, einem Mentor oder Coach. Der Unterricht wird problemorientiert und in Projektform durchgeführt....
Nötig ist eine päd. Zukunftsforschung, die sich die Konstruktion eines Zukünftigen zur Aufgabe macht und diese einer erziehungswiss. Diskussion Reflexion zugänglich macht.