Thesen:
These 1: Nach üblicher inner- und außerwissenschaftlicher Vorstellung feiert der geisteswissenschaft-liche Verstand, während der naturwissenschaftliche Verstand hart arbeitet. Außerdem scheint der geis-teswissenschaftliche Verstand den Fortschritt, den die Naturwissenschaften befördern, selbst zu behin-dern. In diesem Zusammenhang verdichtet sich der Argwohn gegenüber den Geisteswissenschaften im Begriff des Fortschritts und in der Formel von den zwei Kulturen.
These 2: Die Zukunft der Geisteswissenschaften liegt nicht an den Wegen ihrer idealistischen Vergan-genheit, nicht in der Bescheidung auf kompensatorische Aufgaben und nicht in einem Sich?Verweigern gegenüber technischen Kulturen, wie sie moderne Gesellschaften, gestützt auf den naturwissenschaft-lichen und den technischen Verstand, heute darstellen. Sie liegt vielmehr in einer neuen, transdiszipli-nären Dimension des Wissens, d.h. in einer Idee von Transdisziplinarität, deren Gegenstand die kultu-relle Form der Welt und deren Aufgabe die Anstrengung ist, sich dieser Form in Wissenschaftsform zu vergewissern.
Um dieses neue Profil zu realisieren, müssten die Geisteswissenschaften, zunächst auf sich selbst be-zogen, eine transdisziplinäre Orientierung wieder gewinnen. Transdisziplinarität - hier verstanden als die Aufhebung fachlicher und disziplinärer Parzellierungen, wo diese ihre historische und systemati-sche Erinnerung an eine ursprüngliche Einheit der geisteswissenschaftlichen Arbeit verloren haben. ... Transdisziplinarität als Forschungs? und Kompetenzform gehört dabei im Grunde zum Wesen der Geisteswissenschaften; diese können sogar, ihrer ursprünglichen (idealistischen) Idee nach, als das eigentliche wissenschaftssystematische Paradigma einer transdisziplinären Ordnung gelten