Der UNESCO-Bericht "Learning: the treasure within" ist 1996 erschienen. 1997 hat die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) die deutsche Ausgabe unter dem Titel "Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum" herausgegeben. Der Bericht ist das Ergebnis weltweiter Analysen und dreijähriger Beratungen der Internationalen Kommission "Bildung für das 21. Jahrhundert" mit Lehrern, Forschern, Studenten, Regierungsvertretern und Nichtregierungsorganisationen. Die UNESCO hat diese unabhängige Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission, Jacques Delors, 1993 ins Leben gerufen.
Der auch als Delors-Bericht bekannte Report befasst sich in sechs Kapiteln mit kultureller Bildung, dem Verhältnis von Bildung zu Demokratie, zu sozialen Arbeitsprozessen, zur Arbeitswelt, zur Entwicklung und zu Forschung und Wissenschaft. "Die Kommission sieht in Bildung weder ein Wundermittel noch eine magische Formel, die die Pforten zu einer von Idealen erfüllten Welt öffnet," schreibt Delors, "aber sie ist eines der wichtigsten verfügbaren Werkzeuge für eine umfassendere und harmonischere Art der menschlichen Entwicklung. Sie kann Armut, Ausgrenzung, Unwissenheit, Unterdrückung und Krieg überwinden helfen."
Der Bericht appelliert für eine starke internationale Zusammenarbeit bei Bildungsfragen. Ein "Vier-Säulen-Modell" soll auf die Bildungsbedürfnisse des 21. Jahrhunderts antworten: Lernen, zusammenzuleben; Lernen, Wissen zu erwerben; Lernen, zu handeln; Lernen für das Leben. Fundament muss eine breit angelegte Grundbildung sein, die vor allem die Fähigkeit zu lebensbegleitendem Lernen vermitteln soll.
Als Richtgrösse für nationale Bildungsausgaben empfiehlt der Bericht sechs Prozent des Bruttosozialproduktes zu verwenden sowie 25 Prozent der Entwicklungshilfe für den Bildungsbereich zu reservieren. Ausserdem schlägt er einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer im Gegenzug für gesteigerte Bildungsbemühungen vor.
Doch die modernen Bildungsanforderungen sind nicht nur ein Thema in den armen Ländern. Der Bericht ermuntert deshalb alle Gesellschaften, auf eine notwendige Utopie im Bildungsbereich hinzuarbeiten, damit keines der Talente, die wie ein verborgener Schatz in jedem Menschen schlummern, verloren geht. Lebenslanges Lernen heisst nicht nur Anpassung an eine veränderte Berufs- und Informationswelt, sondern bedeutet die Entwicklung des kreativen Potenzials der gesamten Persönlichkeit.
Besonders hebt der Bericht die Notwendigkeit mehrsprachiger Bildung sowie der Medien- und Kommunikationserziehung hervor. Er betont die Erziehung zum Pluralismus als Wertschätzung und Anerkennung anderer Kulturen und plädiert für eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen Schulausbildung und Arbeitserfahrung. Jungen Menschen sollte durch die Aussicht, wieder in die Ausbildung zurückkehren zu können, die Sicherheit gegeben werden, dass weichenstellende Entscheidungen in frühen Jahren nicht unwiderruflich getroffen sind. Der originellste Vorschlag des Berichts ist ein "Bildungskonto". Es soll jedem Individuum eine auf Lebenszeit zustehende Studienzeit garantieren, die je nach Kontostand auch während des Erwachsenenalters wahrgenommen werden kann.